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Zeitzeugin

Katholische Freie Schulen Erzbistum Köln
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Zeitzeugin des Holocaust am Sankt-Angela-Gymnasium

Die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe des Sankt-Angela empfingen am 11.9. und 12.9.17 besonderen Besuch: Frau Henriette Kretz, die eigens für diesen Besuch aus Antwerpen angereist war, erzählte ihrem Publikum in der gut gefüllten Aula von ihren bewegenden Erlebnissen in dem von Deutschland bzw. der Sowjetunion besetzten Polen während des 2. Weltkrieges. Der Besuch von Frau Kretz wurde durch die Maximilian-Kolbe-Stiftung ermöglicht, die sich die Versöhnungsarbeit in Europa zum Ziel gesetzt hat.

 

Frau Kretz, eine inzwischen 83jährige zierliche alte Dame, kam 1934 im polnischen Stanislawów als Tochter einer jüdischen Familie zur Welt. Ihr Vater arbeitete als Chirurg, ihre Mutter war Juristin. Nach dem Beginn der deutschen Besatzung fand Henriettes behütetes Leben, für sie die „schönste Zeit ihres Lebens“ ein jähes Ende.  Die Familie floh zunächst nach Lemberg (heute Lliw/Ukraine) und dann nach Sambor (heute Ukraine) in den Osten des Landes, wo sich inzwischen auch die übrige Familie eingefunden hatte. Henriettes Vater fand eine Stelle  als Direktor eines Heims für tuberkulosekranke Kinder. Als die Stadt nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 unter deutsche Besatzung geriet, gab es weitere Veränderungen, die das Leben der Familie tiefgreifend veränderten. Die Familie wurde wie alle anderen jüdischen Mitbürger gezwungen, in das jüdische Ghetto umzuziehen. Es gelang Henriettes Eltern, eine polnische Familie zu finden, die das Mädchen versteckte. Nach einigen Monaten wurde ihr Versteck aber entdeckt und Henriette wurde zunächst ins Gefängnis und dann ebenfalls in Ghetto verbracht, wo sie ihre Eltern wiederfand. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits etliche sog. „Säuberungsaktionen“ durchgeführt worden, bei denen Tausende von Juden von Einsatzgruppen erschossen worden waren. Als das Ghetto schließlich geräumt wurde, half ein befreundeter ukrainischer Arzt der Familie, ein Versteck zu finden. Die meiste Zeit mussten sich Henriette und ihre Eltern in der Kohlengrube im Keller verbergen. „Dort gab es kein Licht, nur ein wenig Stroh. Wir saßen den ganzen Winter im Dunkeln“, berichtete Frau Kretz. Als sie im Frühling endlich den Keller verlassen konnten und auf dem Speicher Zuflucht suchten, erkannte Henriette ihre Eltern kaum noch: „Die Haare meines Vaters (damals 42 Jahre alt) waren weiß geworden und meine Mutter (damals 36 Jahre alt) sah älter aus als ich jetzt.“

Unterschlupf in einem Waisenhaus

Als die Familie vom Rückzug der deutschen Truppen hörte, schöpfte sie Hoffnung, überleben zu können. Aber Henriette und ihre Eltern wurden verraten und von zwei deutschen Soldaten abgeführt. Als ihr Vater sich weigerte weiterzugehen und Henriette zuschrie: „Lauf jetzt!“, hätten nur noch ihre Beine funktioniert, während ihr Kopf „leer“ gewesen sei. Als sie kurze Zeit später Schüsse hörte, habe sie gewusst, dass sie nun keine Eltern mehr gehabt habe. „Niemals habe ich mich einsamer gefühlt als in diesem Moment“, erzählt sie den Schülern, die konzentriert und schweigend ihrem Vertrag folgen.

 

Henriette fand schließlich Unterschlupf in einem Waisenhaus, deren Leiterin mit Hilfe ihrer Mitschwestern jüdische sowie Roma-und-Sinti Kinder unter Einsatz ihres eigenen Lebens versteckte. Nach dem Krieg fand Henriette ihren Onkel wieder – neben ihr der einzige Überlebende der einst großen Familie.

 

Frau Kretz verurteilt die Mörder ihrer Familie nicht. Man könne fast jeden Menschen dazu bringen, für eine Idee oder Religion zu töten. „Man hat ihnen das Gehirn gewaschen. Das ist leicht“, kommentiert die Zeitzeugin das Geschehen und schlägt damit den Bogen in die Gegenwart. Bis heute gebe es Krieg und Verfolgung, meint sie und verweist auf das aktuelle Geschehen in Syrien sowie in Myanmar und an vielen anderen Brennpunkten der Welt.

Die Schüler zeigten sich am Ende sehr berührt und bedankten sich bei Frau Kretz dafür, dass sie ihnen begreiflich gemacht habe, was damals geschehen sei, damit nie wieder „etwas Vergleichbares“ geschehe. „Auch wenn wir im Geschichtsunterricht den Nationalsozialismus schon behandelt haben, ist es etwas ganz anderes, jemandem zuhören zu dürfen, der diese Zeit selbst erlebt und erlitten hat.“ Einige Schüler äußerten Frau Kretz gegenüber die Hoffnung, dass „weitere Schüler die Chance bekommen, Ihre Geschichte von Ihnen erzählt zu bekommen.“

 

St. Angela

 

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