Sexualität - Eros - Spiritualität

Spiritualität und Sexualität wollen zueinander

Da unsere sexuelle Entwicklung und unsere Sexualität mit den anderen Bereichen, die zu unserem Menschsein gehören, verwoben ist, lässt jener, der seine Sexualität nicht zulässt, sie verdrängt und auf Dauer unterdrückt, sich nicht zu. Er unterdrückt sich und behindert sich.
Er beeinträchtigt neben seiner psychischen, emotionalen und sozialen Entwicklung auch die Entfaltung seiner Spiritualität.
Sie - Sexualität und Spiritualität - sind eingebunden in seine Gesamtperson. Als Elemente des fließenden Lebensstromes sind sie von allen Einwirkungen auf diesen Lebensstrom mitbetroffen.
Wenn daher zum Beispiel die Sexualität, die ja auch für das Sinnliche, das Vitale, das Kreative, das Leidenschaftliche in uns steht, unterentwickelt bleibt oder brachliegt, wo soll dann unsere Spiritualität ihre Vitalität und Leidenschaft hernehmen?
"Die Sexualität ist die faszinierende Kraft, die uns zum Leben und zur Liebe antreibt, sie ist die eigentliche Quelle der Spiritualität" sagt Anselm Grün (1995, 21).
Es kann daher nicht gut gehen, wenn sich Sexualität und Spiritualität gegenseitig bekriegen, statt sich die Hand zu reichen. Wer Sexualität und Spiritualität zu gegenseitigen Feinden macht, der vergewaltigt sie, der reißt etwas auseinander, was zueinander will und zueinander gehört.


S. 50


Von der Heiligkeit der Sexualität
Der Sexualität wohnt das Heilige inne. Gerade wenn es darum geht, das Heilige, Numinose, das ganz Andere zu erfahren, spielt die Sexualität eine große Rolle.
Dass die Sexualität an sich noch nicht heilig sein muss und es Erfahrungen von Sexualität gibt, die alles andere als heilig sind, ist dabei unbestritten.
Es geht darum, die Heiligkeit, die der Sexualität grundsätzlich zukommt, zu entdecken und herauszustellen. Der Sexualität und der Spiritualität wegen. Die Kraft der Sexualität kommt in ihrer ganzen Fülle erst dann zum Zug, wenn die Sexualität nicht länger ihrer Heiligkeit entkleidet wird und ihr die ihr innewohnende Heiligkeit abgesprochen wird.


S. 81/82


aus: Wunibald Müller, Küssen ist beten. Sexualität als Quelle der Spiritualität,
(c) Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2003.