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Tötung auf Verlangen

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Tötung auf Verlangen

Menschen können in eine Situation geraten, in der sie mit einem aussichtslosen Leiden und unbeherrschbaren Schmerzen, verzweifelt ihren Tod herbeisehnen und um Tötung als letzte mitmenschliche Hilfe bitten. In der Öffentlichkeit der bundesdeutschen Gesellschaft wird dies kontrovers diskutiert. Auch wenn die Rechtslage klar ist und Tötung auf Verlangen unter Strafe steht, gibt es immer wieder Stimmen, die fordern, ähnlich wie man einem Tier den Gnadentod gewährt, müsse man doch auch einen Menschen von seinem Leiden erlösen dürfen.

Die Standpunkte in der öffentlichen Diskussion spiegeln sich in der Debatte des Nationalen Ethikrates (Nationaler Ethikrat, S. 91 -95) gut wider:

 

Contra

  • Bei der Tötung auf Verlangen liegt das zum Tode führende Geschehen ganz in der Hand einer anderen Person, die sich über das Tabu der Tötung eines anderen Menschen hinwegsetzen muss. Für Ärzte ist dies nicht denkbar.
  • Die Tötung auf Verlangen ist unmittelbar gegen das Leben eines anderen gerichtet. Der Tod ist in alleiniger Verantwortung verursacht, während er beim Sterbenlassen Folge eines Krankheitsprozesses ist.
  • Menschen geben dem sozialen Druck eher nach, wenn die Tötung auf Verlangen zugelassen werde.
  • Das Ausweichen in den Tod wird zur Norm im Umgang mit schwerem Leiden. Der Wert des Lebens wird dauerhaft beschädigt.
  • Es besteht große Gefahr, dass die Grenzen zu Tötungen ohne ausdrückliches Verlangen verwischt (Argument der schiefen Ebene).

Pro

  • Die Befürworter erkennen keinen Unterschied zwischen Tötung auf Verlangen und Sterben lassen.
  • Der Arzt sei verpflichtet, zum Wohl des Patienten zu entscheiden und zu handeln. Dieses Wohl sei nicht immer identisch mit dem Lebenserhalt. Für einen Patienten mit schwerem Leiden könne dieses „Wohl“ sogar mit dem Wunsch nach Tötung auf Verlangen vereinbar sein, wenn der Patient dies als einzigen Ausweg aus schwerem Leid sieht. Ein Suizid sei für einen sterbenskranken Menschen u.U. nicht mehr durchführbar. Auch das Sterben lassen sei nicht für jeden eine erträgliche Option.
  • Allein der andauernde Wunsch des Patienten nach Beendigung eines aussichtslosen Leidenszustandes rechtfertige das Handeln eines Dritten. Das Abstellen eines Atemgerätes sei deshalb bei einem aussichtslos und schwer leidenden Patienten nicht anders zu bewerten als die tödliche Spritze.
  • Der Wunsch des Patienten sei der höchste Wert und solle deshalb handlungsleitend sein. Eine unterschiedliche Bewertung von gezielter Herbeiführung des Todes und einem Sterbenlassen wird nicht vorgenommen.

Auf das von den Gegnern angeführte „Argument der schiefen Ebene“ antworten die Befürworter:

Die Sorge vor negativen gesellschaftlichen Auswirkungen sei unbegründet. Die Gesellschaft könne durchaus mit begrenzten Ausnahmen vom Tötungsverbot (zum Beispiel Notwehr oder übergesetzlicher Notstand) umzugehen, ohne in Missbrauch abzugleiten.
Auch in den Nachbarländern der Bundesrepublik sei eine Tendenz der Ausweitung der Tötung auf Verlangen nicht zu beobachten.

 

Ärztliche Perspektive

In den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung der Bundesärztekammer findet sich in der Präambel der Satz „Die Tötung des Patienten hingegen ist strafbar, auch wenn sie auf Verlangen des Patienten erfolgt.“ (Vgl. Deutsches Ärzteblatt 2011, A346) Hier wird lediglich auf das Recht Bezug genommen, eine ethische Begründung erfolgt nicht. Die Heiligkeit des Lebens ist ein unbestrittener hoher Wert, der im Kontext der Ärzteschaft keiner weiteren Rechtfertigung bedarf.

Eine Umfrage unter deutschen Ärzten (Institut für Demoskopie Allensbach) im Jahre 2009 konnte aufweisen, dass 78% der Ärzte die Legalisierung der Tötung auf Verlangen ablehnen, 17 % würden eine entsprechende gesetzliche Regelung, die die Tötung auf Verlangen ermöglicht, begrüßen. Nur 5% waren unentschieden. Bei den Gründen gegen die Legalisierung der Tötung auf Verlangen war die drei von den meisten Ärzten bejahten Argumente: Sie verstößt gegen den hippokratischen Eid (29 %), sie birgt die Gefahr des Missbrauchs (24 %) und verstößt gegen allgemeine ethische Werte (17%). Direkt danach wurde von 16 % das Argument genannt: „weil es gegen meine persönlichen Werte/ mein Gewissen verstößt“.

 

Theologische Perspektive

Die Argumentation der katholischen Moraltheologie orientiert sich am Leben als Grundwert. Dieser Wert verknüpft sich dabei eng mit der Würde des Menschen als Ausdruck seiner Unverfügbarkeit für Dritte. Beide Werte - Leben und Würde - bilden die Basis der kirchlichen Argumentation. Die Selbstbestimmung, als praktische Umsetzung der Würde und als Orientierung für den Arzt und sein Entscheiden, folgt erst an dritter Stelle.

Die Achtung der Menschenwürde eines jeden schließt ein, dass sein Recht auf Leben unabhängig von geistiger und körperlicher Verfassung geschützt ist. Ein Mensch wird also nicht danach beurteilt, ob er sein Leben bejaht oder ob sein Leben noch lohnt – für ihn persönlich oder für die Gesellschaft. „Was wir brauchen sind Ehrfurcht und Achtung vor dem Leben und Hilfsbereitschaft für alle Lebenden.“ („Das Lebensrecht des Menschen und die Euthanasie“, S.16)

Die kirchliche Argumentation richtet sich damit gegen die Stimmen, die schweres Leid und Gebrechlichkeit als Verlust der menschlichen Würde darstellen. Im Bewusstsein der Gesellschaft muss vielmehr das Bild entstehen, dass Krankheit und Hilfsbedürftigkeit zu menschlichem Leben gehören.

Diese Achtung und Ehrfurcht vor dem Leben fordert die Kirche auch von den Ärzten: “Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit ist das oberste Gebot des ärztlichen Handelns. Dieser Dienst am Leben schließt es aus, dass der Arzt zu einem Befehlsempfänger für das Töten auf Verlangen erniedrigt wird oder sich selbst dazu bereitfindet.“ („Das Lebensrecht des Menschen und die Euthanasie“, S.16) Eindrücklich heißt es deshalb: Das Gebot „Du sollst nicht töten“ gilt für alle Phasen des menschlichen Lebens und für alle Menschen. Jede gezielte vorzeitige Beendigung des Lebens ist eine Tötung und gleichzeitig eine Verfügung über das Leben eines anderen. Das Leben und der Eintritt des Todes eines Patienten stehen nicht in der Verfügung anderer, auch wenn der Patient um den Eingriff weiß und ihm sogar zustimmt.

Ein Sterbender soll auch am Ende seines Lebens über sich bestimmen können. „Alle medizinischen und pflegerischen Maßnahmen sind in dieser Achtung vor seiner Würde vorzunehmen“ – ob er äußerungsfähig ist oder nicht. So kann der sterbende Patient das Unterlassen oder das Einstellen von Eingriffen fordern und der Arzt hat im wohlverstandenen Interesse des Sterbenden und zu dessen individuellem Wohl „wie ein guter Anwalt“ („Gott ist ein Freund des Lebens“, S. 17) zu handeln. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Arzt oder auch andere jedem Wunsch eines Sterbenden Folge leisten müsste.

Würde die Tötung auf Verlangen zur ärztlichen Aufgabe, wird sich dies nach moraltheologischer Einschätzung auch auf die Arzt-Patienten-Beziehung auswirken, „denn der Arzt würde nicht mehr ausschließlich dem Leben dienen, sondern zugleich ein Gehilfe des Todes sein.“ („Das Lebensrecht des Menschen und die Euthanasie“, S.14)

„Käme ein Arzt solchem Verlangen nach, so zöge er sich einen zerreißenden Konflikt zu zwischen seiner ärztlichen Berufspflicht, Anwalt des Lebens zu sein, und der ganz anderen Rolle, einen Menschen zu töten. Täte er es auch aus Mitleid – ließe sich dann vermeiden, dass man ihm auch noch andere Motive zu unterstellen beginnt? Das wäre das Ende jedes Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient.“ („Gott ist ein Freund des Lebens“, S. 19f.)

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Broschüre: Sterbebegleitung und Sterbehilfe

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