Frage: Was gab es dazu für Impulse?
Antwort: Einen Impuls möchte ich besonders hervorheben – auch, weil es bei vielen Kongressteilnehmenden eine starke Wirkung zeigte. Wir haben im Kongress eine kurze Filmsequenz gezeigt: Ein schwedisches Filmteam hatte Menschen gefilmt, die auf einem Zehn-Meter-Turm standen. Ihnen wurde gesagt: Du bekommst zehn Euro, wenn Du runterspringst.
Da waren die unterschiedlichsten Menschen oben auf dem Turm, und es war spannend und faszinierend zu sehen, wie schwer die Schritte an die Kante waren. Manche hatten schon den Fuß in der Luft und trotzdem sind sie wieder zurückgegangen.
An genauso einer Stelle, glaube ich, stehen wir als Kirche im Moment: Es bräuchte einen großen Sprung, in eine ungewisse Zukunft, wo wir den sicheren Boden des Zehn-Meter-Brettes verlassen, ohne doppelten Boden in der Luft schweben und uns ins Wasser stürzen. Kirche im Moment bewegt sich immer wieder hin zur Kante, um dann doch vor dem Sprung ins Ungewisse zurückzuschrecken. Sich auszutauschen, welche Dynamiken wirksam sind, wenn Kontexte und Paradigmen sich radikal ändern und was das für Entscheider und Führung bedeutet. Das waren wichtige Fragen des Kongresses.
Diese Veränderungen müssen keine Angst machen. Denn aus der daraus resultierenden Leere kann Neues entstehen. Leben, Sterben und Auferstehung sind Grunderfahrung unseres Glaubens. Wir können zuversichtlich sein, dass Kirche eine Zukunft hat, wenn auch in einer ganz anderen Gestalt als heute.
Frage: Die Analyse war also, dass die kleinen Schritte nicht reichen. Gab es denn schon Ansätze, wie der radikale Umbau gedacht werden kann, wie es mit konkreten Umsetzungen gehen kann?
Antwort: Unterschiedliche Menschen haben auf dem Kongress berichtetet, wie das gehen kann, Altes zu lassen. Wir hörten ein Beispiel aus einem Familienunternehmen, das gezwungen war den Betrieb völlig neu auszurichten. Auch einige kirchliche Projekte, die von einer radikal anderen Logik geprägt waren, als standardmäßiges Handeln in der Kirche, berichteten von ihren Erfahrungen. Wichtiger war für uns aber darüber hinaus die Frage: Wo entsteht der Widerstand? Und halten wir das aus?
Die Austrittszahlen zeigen eine lineare Bewegung seit 20 Jahren. Mittlerweile kommen wir aber an vielen Stellen auch in eine Situation, wo wir oft nur noch Getriebene sind. Beim Sprung von einer durch die Finanzmittel sehr mächtigen Kirche hin zu einer Kirche, die diese Potenz zunehmend verliert, nehme ich wahr, dass es dafür wenig Führungs- und Gestaltungswillen gibt, um das aufzufangen. Hier reibt sich vieles an dem Veränderungsdruck.
In einem ist man sich im Moment jedoch einig: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Aber wie soll es denn konkret weitergehen? Und da fängt es an, spannend zu werden. Der Kongress machte deutlich, wie schwer es fällt, gewohnte Muster zu unterbrechen. Zu realisieren, dass es zurzeit keine konkrete Idee gibt, wie sich Kirche zukunftsfähig verändern kann. Das kann aber eben auch eine heilsame Unterbrechung darstellen. Denn nur da, wo wir unser Standardprogramm unterbrechen und auf unsere Standlösungen verzichten, entsteht Raum für Kreativität oder fromm gesagt, kann der Heilige Geist wirken.
Frage: Und das hat der Kongress ja den Teilnehmenden nachhaltig vor Augen geführt. Wie werden Ergebnisse kommuniziert, wie geht es weiter damit?
Antwort: Zum einen gehen wir davon aus, dass die Teilnehmenden selbst, die durch ihr Engagement und ihre Stellung in den kirchlichen Kontexten hervortreten, eine ganze Menge an Ideen und Eingaben in ihre Wirkungsfelder mitnehmen.
Darüber hinaus ist auch medial im kircheninternen Raum viel passiert. Die Medien haben viel über den Kongress berichtet und in den sozialen Medien hat im Anschluss und während des Kongresses eine inhaltliche Auseinandersetzung stattgefunden. Geplant ist auch, die Impulse des Kongresses in eine Buchpublikation zu bringen.