Meine Frau hat das lange nicht verstanden und empfand es zunächst als männliche Zumutung. Aber für mich und meinen Sohn Tobias haben der Fußballplatz und unsere sonntäglichen Ausflüge dorthin tatsächlich etwas von einem Gottesdienst. Nicht weil wir damit einem „Fußballgott“ huldigen wollten; aber allein die Intensität der Gefühle, die wir dort und dabei entwickeln, hat meines Erachtens auch einen religiösen Wert. Tobias hat gerade den Sprung in die Startelf der C- Jugend geschafft; mir selbst bieten seine Spiele die Zeit und die Chance, noch einmal ein Stück Kindheit und Jugend mit- und nachzuempfinden, alle Verpflichtungen – auch die sonstigen familiären – hinter mir zu lassen und nur noch Papa und bester Freund meines Sohnes zugleich zu sein.
Und wenn ich mit seinen Aktionen mitfiebere, ihn anfeuere, ihn nach einem gewonnenen Spiel überglücklich in meine Arme schließe, nach einem enttäuschenden tröste und hinterher mit ihm in der „dritten Halbzeit“ Bilanz ziehe, dann schimmert dabei für mich (und hoffentlich auch für Tobias) eine Ahnung von Werten durch, die zu einem „Leben in Fülle“ gehören – Zusammenhalt, Freundschaft, Fairness, Glück, Trost und so weiter. Inzwischen lässt sich meine Frau nach den Spielen darauf ein, uns in unserer (vom Ergebnis abhängigen) seelischen Befindlichkeit ernst zu nehmen und aufzufangen – und ich spüre, was es bedeutet, Teil einer Familie zu sein.
Richard, 43
