Sechs Tage haben sie im Gerichtssaal verbracht, sich mehr oder weniger geduldig Zeugenaussagen, Anklage und (eine dürftige) Verteidigung angehört. Nun ist es an ihnen, das Urteil über Leben und Tod des 19jährigen Angeklagten zu fällen. Einzige Bedingung dabei: das Votum aller 12 Geschworenen muss einstimmig sein. Der Fall scheint klar zu sein; der Anschein spricht gegen den Angeklagten und ohnehin wollen alle schnell nach Hause. Nur einer hat Bedenken, immerhin geht es um ein Menschenleben…
Mit diesem Ausgangsszenario startet der Fernsehklassiker aus dem Jahr 1957, den sich der Literaturkurs der Q1 am Gymnasium Marienberg in Neuss unter der Leitung von Frau Keßler zum Gegenstand der Erarbeitung im vergangenen Schuljahr vorgenommen hat. Dass ein Schwarzweißfilm, der über zwei Stunden dauert, nur in einem Raum spielt und fast ohne dramaturgische Elemente auskommt auch weiterhin ein junges Publikum faszinieren kann, spricht mit Sicherheit für die schauspielerischen Fähigkeiten der Darsteller. Insbesondere aber liegt es an der Intensität der Auseinandersetzung, die die Protagonisten untereinander austragen, und an der Thematik, die an Aktualität nichts eingebüßt hat. Denn was in der sommerlichen Hitze zunächst schleppend beginnt, entwickelt sich in zunehmendem Maße zu einem fesselnden Diskurs, der Abgründe und geheime Triebkräfte menschlichen Urteilens und Handelns offenbart und dem Geschehen immer wieder neue Wendungen verleiht.
Es geht um grundsätzliche Vorurteile, die Menschen im Umgang miteinander haben. Verhandelt wird z.B. die Frage, ob es so etwas wie „geborene Verbrecher“ gibt, die allein schon durch die Umstände, in denen sie heranwachsen dazu prädestiniert sind, kriminell zu werden. Menschen zweiter Klasse, „Untermenschen“, bei denen man nicht so genau hinschauen muss, weil man schon weiß, „wie die sind“. Es geht aber auch um ganz persönliche Vorurteile, um Erfahrungen, die uns leiten und Maßstab unserer Beurteilung sind. Als „Lebensweisheiten“ können diese zum Instrument tiefer Einsicht werden oder aber, gerade wenn sie unreflektiert bleiben, den Blick auf die Tatsachen verstellen.