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Versöhnungsbrief polnischer Bischöfe (1965)

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Illustriertes Cover des Briefes an die deutschen Bischöfe: gelocht, verfärbt: Spuren der Zeit

Der Versöhnungsbrief der polnischen Bischöfe von 1965: Ein Kandidat für das UNESO-Weltdokumentenerbe

Das Historische Archiv des Erzbistums verwahrt das ganz außergewöhnliche Dokument, welches in diesen Tagen ins Blickfeld der großen internationalen Öffentlichkeit rückt.

Am 18. November 1965 setzten die polnischen Bischöfe ein bahnbrechendes Zeichen der Völkerverständigung. Sie schrieben ihren deutschen Mitbrüdern den berühmten Versöhnungsbrief. Er ist zusammen mit dem Antwortschreiben der deutschen Bischöfe – heute in Warschau – (und dem eigenhändigen Manuskript des polnischen Briefes, das sich in Breslau befindet) jetzt Teil eines Antrags für die Nominierung zur Aufnahme in das internationale Register des Weltdokumentenerbes "Memory of the World".

Dieser Brief, geschrieben und übergeben in Rom beim Zweiten Vatikanischen Konzil, gelangte als Dienststück nach Köln, wo er der Öffentlichkeit erst Jahrzehnte später als Originaldokument bekannt wurde.

Wie erging es diesem Brief, wie war sein Lebenszyklus bis zur großen Aufmerksamkeit von heute?

Nähere Informationen zum gesamten Schriftwechsel: https://reconciliation.eu

 

Umschlag, in dem der Brief übergeben wurde

1. Der Brief findet seinen Empfänger in Rom nicht

Am Tag der persönlichen Übergabe per Boten, dem 20./21. November war Kardinal Frings, der deutsche Bischofskonferenz-Vorsitzende überraschend verreist. Unter anderem wegen eines Arztbesuchs war der annähernd blinde Frings am 20. November – ein Samstag – für eine Woche von Rom nach Hause geflogen. Begleitet wurde er von seinem persönlichen Sekretär Luthe.

Umschlag (Ausschnitt mit Aktenvermerk)

2. Der Brief ruht in Wartestellung

Der Kölner Generalvikar (Teusch), der auch mit in Rom war, öffnete am 23. November den Umschlag, ließ den Eingang unter Nr. 617 von seiner Sekretärin (Frl. Kessen) registrieren und auf Wiedervorlage bis zur Rückkehr seines Chefs legen. Dass inzwischen die polnischen wie die inzwischen informierten deutschen Bischöfe, die wegen dem nahen Ende des Konzils und der Abreise sämtlicher Bischöfe eine Antwort zeitnah schreiben wollten, auf ein Zeichen von Kardinal Frings warteten, ist eine andere Geschichte.

Zum Vergleich: Cover des parallelen Exemplars an die belgischen Bischöfe: nicht gelocht, kaum verfärbt (Original in Belgien)

3. Der Brief als bloßes Verwaltungsobjekt in Köln

Nach Frings‘ Rückkehr nahmen die Dinge doch noch ihren Lauf. Die Antwort wurde am 5. Dezember 1965 verfasst und übergeben. Mit dem Ende des Konzils nahm Frings den Brief mit nach Köln. Dort registrierte ihn die Registratur des Generalvikariates unter dem Vorgang R 32048/65 (Aktengruppe: CR 22.22a), lochte und heftete ihn in einem Aktenordner ab. Gebrauchsspuren und Verfärbungen durch angrenzende saure Papiere stammen aus dieser Zeit; ganz anders als der Brief abweichenden Inhalts, den die belgischen Bischöfe 1965 bekamen (im Original heute in Belgien).

Der Stehordner mit dem Brief nach Übergabe an das Archiv

4. Der Brief als junges Archivgut

Verwaltungsschriftgut wird nach spätestens 30 Jahren dem zuständigen Archiv angeboten und i.d.R. übergeben. Für die Aktengruppe, in der sich auch der polnische Brief befand, geschah dies im Jahre 1989. Im Archiv erkannte man gleich die Besonderheit dieses hochkarätigen Dokumentes. Man entnahm es zu seinem Schutz aus dem Ordner und vermerkte den Kontext: (Akten-)Zug(ang) 471/89, Nr. 91. Bei mehreren kleineren Anlässen wurde es nun durch das Archiv auch offen gezeigt.

Juli 2015: Übergabe des verpackten polnischen Briefes an den Kölner Generalkonsul der Republik Polen, Sobczak durch den Archivleiter, Dr. Helbach, zum Transport nach Warschau (li. u. re. Im Bild: Frau Furmanik, Gen.-Konsulat, und Frau Wormans, Archiv)

5. Der Brief tritt in Rampenlicht der großen Öffentlichkeit

2015, zum 50-jährigen Jubiläum erinnerte man sich an den in seinem Inhalt natürlich bekannten Brief, der bis heute Geschichte schreibt. Er sollte nun Mittelpunkt mehrerer Ausstellungen werden. Als erstes fragte der polnische Staat durch den Kölner Generalkonsul der Republik Polen an. Der Brief wurde für eine Ausstellung im Parlament in Warschau ausgeliehen und gelangte so erstmals auf polnischen Boden; 2016 noch einmal nach Breslau (Europäische Kulturhauptstadt). Zum Substanz-Schutz musste dann in Köln ein (einziges) Replikat hochwertig erstellt werden. Dies ging und geht nun stellvertretend auf vielfach auch weite Reisen zu Ausstellungen.

6. Kandidatur für die Aufnahme in das internationale Register des UNESCO-Weltdokumentenerbes "Memory of the World"

Vielleicht kann zum 60-jährigen Jubiläum 2025 wiederum das Dokument, das im Historischen Archiv des Erzbistums verwahrt ist und dort jederzeit angesehen werden kann, auch auswärts aus wichtigem Anlass gezeigt werden. Das polnische Nominierungskomitee für das UNESCO-Programm "Memory of the World" hat nämlich im November 2023 bei der UNESCO(-Zentrale) in Paris einen polnisch-deutschen Nominierungsantrag für den Briefwechsel von 1965 eingereicht. Dabei wirkten zusammen: die deutschen und polnischen Bischöfe, das Zentrum „Erinnerung und Zukunft“ in Breslau, das 2019 den Anstoß gegeben hat, und das Erzbistumsarchiv in Köln mit Unterstützung der deutschen UNESCO-Kommission. Der Antrag "Korrespondenz der Versöhnung. Briefwechsel zwischen den Episkopaten von Polen und Deutschland, 1965" wurde zur Entscheidung angenommen. Die UNESCO wird ihn begutachten und voraussichtlich im Frühjahr 2025 darüber entscheiden.

Die tiefen Konflikte der Welt bedürfen immer wieder Zeichen der Vergebung, insbesondere wenn eine Seite den Mut hat zum ersten Schritt, so wie ganz unerwartet vor bald 60 Jahren die polnischen Bischöfe – trotz des tief verhärteten Leids infolge des von Deutschen begangenen Unrechts, gerade einmal 26 Jahre nach dem Überfall auf Polen und mitten im Kalten Krieg. Die berühmte Versöhnungs­adresse von 1965 steht dafür zeichenhaft mit den Worten „… strecken wir unsere Hände zu Ihnen hin …, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung“. Daher freut es das Histor. Archiv des Erzbistums doppelt – als ein Zeichen in der Welt und ein wenig auch für das Archiv und das Erzbistum –, dass dieses Dokument nebst der deutschen Antwort nun Teil eines solchen Antrags durch Polen und Deutschland ist.