Christlicher Versöhnungsauftrag und Gebet
Am 8. Mai 2025 jährte sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. Vor diesem Hintergrund veranstalteten Studierende und Mitarbeitende der Kölner Hochschule für KatholischeTheologie (KHKT) eine außergewöhnliche Exkursion: Sie besuchten den größten deutschen Soldatenfriedhof im niederländischen Ysselsteyn, der zugleich Gedenk- und Bildungsstätte ist. Über 32.000 gefallene Soldaten sind dort bestattet. Unter der Leitfrage „Was lernen wir daraus?“ setzten sich die Teilnehmenden in Workshops und einem Gottesdienst auf dem Friedhofsgelände intensiv mit Krieg, Gewalt und Friedensverantwortung auseinander. Finanziert wurde die Exkursion in der Hauptsache vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Auch das Stiftungszentrum des Erzbistums Köln beteiligte sich an der Finanzierung.
Wir haben mit Professor Dr. Dr. Elmar Nass über den Sinn der Veranstaltung und die Erfahrungen auf der Exkursion gesprochen. Professor Nass ist Initiator der Exkursion und Lehrstuhlinhaber für Christliche Sozialwissenschaften der KHKT.
Frage: Warum denken Sie, ist es für Theologie-Studierende heute wichtig mit einer Exkursion zu einem Soldatenfriedhof an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert zu werden?
Antwort Professor Nass: Das Meer von 32.000 Kreuzen konfrontiert mit ebensovielen persönlichen Schicksalen von jungen Menschen, die für diesen sinnlosen Krieg ihr Leben verloren haben. Die Biographiearbeit vor Ort, die von der niederländische Gedenkstätte und dem Volksbund Kriegsgräberfürsorge verantwortet wird, steht unter der Überschrift: „Gib den Kreuzen ein Gesicht“. Die Studierenden beschäftigen sich so mit den Lebensgeschichten der Menschen hinter den Kreuzen. Damit wird diese schreckliche Dimension des Krieges greifbar, dass so vielen Gleichaltrigen ihr Leben gestohlen wurde. Diese Kreuze bleiben dann nicht mehr stumm. Sie sprechen zu uns und rufen uns zu: Lernt daraus, dass solch ein Töten und Morden nicht weitergeht. Diese oft verborgene und doch so eindringliche Friedens-Botschaft haben wir aufgedeckt und uns davon emotional berühren lassen. Die Teilnehmer tragen diese Bilder und Eindrücke in ihrem Herzen weiter und werden, so hoffen wir, umso mehr glaubwürdige Wegbereiter von Frieden und Versöhnung, die uns als Christen aufgetragen ist.
Frage: Als Schirmherrn der Exkursion konnten Sie den Weihbischof von Roermond, Dr. Everard de Jong, gewinnen. Warum war es für die Exkursion bedeutsam, einen solchen Repräsentanten der katholischen Kirche vor Ort zu haben und was war seine Rolle beim Gedenken?
Antwort Professor Nass: Das Anliegen der Exkursion war nicht nur ein Gedenken und die moralische Konsequenz, was wir daraus lernen. Vielmehr ging es uns an dem Tag auch um ein lebendiges Zeichen der Versöhnung und des gemeinsamen Gebets über den Gräbern. Der Weihbischof, der zugleich niederländischer Militärbischof ist, hat diesen Aspekt in seiner Begrüßung sehr begrüßt und betont. Niederländer und Deutsche sind trotz der Verbrechen dieses Krieges heute Freunde. Dafür danken wir unseren Nachbarn sehr. Und deshalb können wir uns auch heute gemeinsam der Verantwortung für den Frieden in Europa und der Welt einsetzen. Der Weihbischof hat neben der Begrüßung an der Biographiearbeit teilgenommen und hat unserer Andacht am Hochkreuz in der Mitte des riesigen Friedhofs vorgestanden. Das war ein starkes Zeichen, dass wir hier erschüttert und verantwortlich gemeinsam als Freunde stehen, nicht zuerst als Niederländer gegen Deutsche, sondern gemeinsam als Christen.
Frage: Bei der Finanzierung der Exkursion haben der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge, die Pax Bank und das Stiftungszentrum im Erzbistum Köln ausgeholfen. Warum halten Sie es für sinnvoll, bei solchen besonderen studentischen Veranstaltungen auf die Unterstützung externer Fördermittelgeber zu setzen?
Antwort Professor Nass: Der Volksbund hat die Exkursion erst möglich gemacht auch durch die gemeinsame inhaltliche Planung. So konnte die Exkursion als Kooperation zwischen unserer Hochschule und dem VDK stattfinden. Die Hochschule erhält keine staatlichen Gelder. Deshalb sind wir gerade bei solchen besonderen Veranstaltungen auf finanzielle Hilfen angewiesen, damit möglichst alle Studenten daran teilnehmen können. Wir danken sehr den Partnern, die das durch ihre großzügige Förderung ermöglicht haben. Wir wollen durch diese Vernetzung auch den Inhalt dieser Exkursion weiter bekannt machen. Viele Menschen heute sollen aufmerksam werden, wie sich junge Christen dieser großen Verantwortung stellen. Damit wollen wir auch ein Beispiel geben für ähnliche herausragende Bildungsprojekte in unserem Erzbistum und darüber hinaus.
Frage: Am selben Tag, am dem an das Kriegsende vor 80 Jahre erinnert wurde, kam die Nachricht von der Wahl unseres neuen Papstes Leo XIV. Seine ersten Worte: „Der Friede sei mit Euch. […] Der Friede des auferstandenen Christus ist ein entwaffneter und entwaffnender Friede, demütig und beharrlich. Er kommt von Gott, Gott, der uns alle bedingungslos liebt.“
Was glauben Sie, welche friedensethischen Akzente kann der neue Papst angesicht der großen globalen Konflikte heutzutage setzen?
Antwort Professor Nass: Diese freudige Nachricht verbreitete sich auf der Rückfahrt in unserem Bus. Das war dann wie ein Geschenk des Heiligen Geistes zum Abschluss unserer denkwürdigen Begegnungen und Erlebnisse an diesem 8. Mai. Viele Ideologen aus unterschiedlichen kirchenpolitischen Lagern vereinnahmen den neuen Papst schon mit ihren persönlichen Interessen. Diesem Stimmengewirr schließe ich mich nicht an, indem ich hier meine persönlichen Wünsche in den Vordergrund dränge. Ich vertraue darauf, dass der neue Papst ernst macht mit dem, was er auf der Loggia am Petersdom sagte. Das heißt: Es muss zuerst um Christus und dessen Botschaft gehen, und aus diesem Bekenntnis heraus folgen dann auch konkrete sozial- und friedensethische Positionen. Oder, um dieses programmatische Statement von Papst Leo ernst zu nehmen, dürfen wir mit Oswald von Nell-Breuning für unsere Welt hoffen: „Wenn Verantwortliche im Dilemma zum Heiligen Geist beten würden, sähe diese Welt anders aus …“.
Die Fragen stellte Markus Schüppen.