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Die Technik macht es möglich, dass man sich über weite Entfernungen hinweg sehen und hören kann. Der eine in Köln, der andere in Jerusalem. Wir sprechen eine Weile, dann fragt George: „Hast du das gehört?“ Abwehrraketen gegen den Beschuss aus dem Iran. Der Krieg hatte sieben Tage zuvor mit israelischen Luftangriffen begonnen. Das christliche Leben – und natürlich nicht nur dieses – ist in dieser Weltgegend existenziell. Im Heiligen Land ist das Unheil gegenwärtig.
George hat eine App auf seinem Smartphone, die ihn – hoffentlich rechtzeitig – vor Raketenangriffen in seiner Nähe warnt. „Die iranischen Raketen sind eine ganz andere Liga als die aus Gaza, eine halbe oder sogar eine ganze Tonne hochexplosives Material statt 80 Kilogramm lokal gefertigter Raketen aus Gaza“, erklärt er.
George Akroush arbeitet für das Lateinische Patriarchat von Jerusalem („LPJ“), das als größte römisch-katholische Institution im Nahen Osten gilt. Er ist ein enger Mitarbeiter von Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa. Das Patriarchat betreut vier Regionen: Israel, Jordanien, Palästina und Zypern. Es hat 2000 Beschäftigte, betreut 55 Pfarreien, 43 Schulen und 35 Kindergärten. Darüber hinaus gibt es Altenheime, Familienberatungs- und psychosoziale Zentren, Waisenhäuser, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und eine aktive Jugendseelsorge.
„Meine Aufgabe als Direktor des Entwicklungsbüros ist es, Bedürfnisse zu ermitteln, Projekte zu planen und uns mit den Partnern des Lateinischen Patriarchats – Spendern und Diözesen – zu koordinieren, um Unterstützung für die Christen im Heiligen Land zu organisieren“, erklärt George Akroush.
Die Verbindung zu Köln ist besonders eng, historisch gewachsen, aber vor allem jetzt, sowohl persönlich als auch durch konkrete Zusammenarbeit. „Es besteht eine besondere Beziehung zwischen Kardinal Woelki und Patriarch Pizzaballa. Sie verstehen sich“, sagt George Akroush und erinnert sich noch gut an den Besuch des Kölner Erzbischofs im Mai 2024, einige Monate nach Beginn des Kriegs zwischen Israel und Gaza mit den Hamas-Angriffen am 7. Oktober 2023. Kardinal Woelki – zugleich Präsident des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande – reiste übrigens trotz offizieller deutscher Reisewarnungen. Anfang Dezember 2024 stattete Patriarch Pizzaballa einen Dankesbesuch in Köln ab. 500.000 Euro Nothilfe stellte das Erzbistum Köln dem Lateinischen Patriarchat zur Verfügung, um die Menschen in Gaza zu unterstützen. Doch seitdem hat sich die Lage weiter verschärft.
Vor der gewaltsamen Machtübernahme durch die Hamas im Jahr 2007 lebten rund 3000 Christen in Gaza. In den Folgejahren flüchteten etwa 2000. Zu Beginn des israelisch-palästinensischen Krieges 2023 waren es nur noch 1017 Christen. Während einer Waffenruhe im Januar 2024 nutzten weitere die Gelegenheit zur Flucht, und bis Juni 2025 blieben nur noch 650 übrig, darunter etwa 150 römisch-katholische Christen.
„Derzeit leben 157 christliche Familien in Gaza, darunter 142 Kinder unter 18 Jahren“, berichtet George Akroush und weist auf die humanitäre Katastrophe hin: „Eine schlimmere Lage hat es in Gaza noch nicht gegeben. Wir erwarten, dass innerhalb eines Monats rund die Hälfte der noch verbliebenen Bevölkerung von insgesamt etwa 1,1 Millionen Menschen den Hungertod sterben wird.“
Er beschreibt unmenschliche Zustände vor Ort und die Blockade von Hilfslieferungen. Von 100 Dollar, die nach Gaza transferiert werden, kommen nur 60 Dollar an, der Rest geht für Gebühren verloren, es herrscht völliges Chaos. Die Grenzen sind dicht. „Niemand erhält humanitäre Hilfsgüter außer über den ineffektiven Mechanismus der amerikanischen ‚Gaza Humanitarian Foundation‘. „Menschen werden getötet, während sie versuchen, ihre Essenspakte zu holen. Man muss körperlich stark sein. Und man muss eine große Familie haben, um möglichst viele Kisten aus den Verteilzentren zu schleppen. Christen – die sehr wenige sind – die Schwachen, die Älteren, Menschen mit Behinderungen, Frauen – sie haben keine Chance“, sagt George Akroush und schildert weiter: „An Lebensmitteln gibt es für unsere Leute nur Mehl, Bohnen, Reis und Spaghetti. Sie kochen zusammen. Sie essen und putzen zusammen. Sie desinfizieren ihr Wasser. Es herrscht ein Gemeinschaftsgefühl. Aber stell dir vor, du sitzt an einem Ort fest und kannst ihn jetzt sogar schon mehr als 18 Monate lang nicht verlassen ...“
George Akroush hat Verständnis für die Christen, die das Leben in der Region nicht mehr ertragen können und – wenn sie die Möglichkeit haben – fliehen. „Aber ich gehöre zu denen, die sagen: Wenn Gott gewollt hätte, dass ich in Australien oder Amerika geboren worden wäre, dann wäre ich es. Das heißt, ich habe die Pflicht, Teil dieses Landes zu sein, für Jesus Zeugnis abzulegen und die edlen Werte der Menschlichkeit – Liebe und Toleranz – zu leben.“
In einer Situation, die nahezu hoffnungslos erscheint, in der das Wort „Frieden“ für die meisten bedeutungslos geworden ist, wendet er sich mit Dankbarkeit und tiefer Verbundenheit an die Christen im Erzbistum Köln: „Bitte, betet weiter für uns!“
(Das Gespräch mit George Akroush wurde am 20. Juni 2025 geführt.)
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