St. Karl Borromäus in Köln Sülz:„Genau deswegen liebe ich diese Kirche!“

Maria heißt in Wirklichkeit nicht so. Ihren richtigen Namen möchte die Frau, die Mitte 50 ist, nicht nennen. Anonymität ist die Bedingung, dass sie ihre Geschichte erzählt. Schicksalsschläge haben ihr Leben geprägt. Eine schwere Depression verhindert nicht nur eine Berufstätigkeit, sie hat Maria auch einsam werden lassen. Ihre ganze Liebe gilt ihren Katzen, um die sie sich aufopferungsvoll kümmert. „Bitte erschrecken Sie nicht, wenn Sie aus meiner Tasche lautes Katzengejammer hören. Eine Katze ist schwer krank. Deshalb habe ich eine Kamera aufgestellt und kann über mein Smartphone sehen, was daheim abgeht“, erklärt sie zu Beginn des Gesprächs.
Dass Maria an diesem Nachmittag an einem Tisch in einem Nebenraum der Kölner Kirche St. Karl Borromäus sitzt und offen über ihre Situation spricht, grenzt an ein kleines Wunder. „Es ist noch nicht lange, dass ich mich wieder unter Leute traue. Aber hier in der Kirche, unter den Menschen, die sich engagieren, und insbesondere dank des Diakons Hanno Sprissler hat sich mein Leben zum Positiven verändert“, sagt Maria mit einem entspannten Lächeln.

Bänke raus, Schränke rein
„Kirche für Leib und Seele“ steht in großen Lettern auf den Bannern, die vor dem Gotteshaus im Wind flattern und in fünf Worten auf den Punkt bringen, was das Besondere an dem in den 1930er-Jahren errichteten Kirchbau ist. „Zusammen mit den spirituellen und gottesdienstlichen Feiern werden in der Kirche sowohl existenzsichernde Maßnahmen in Form von Lebensmitteln, Kleidung und warmem Essen angeboten, als auch wird das Bedürfnis nach spiritueller Nahrung gestillt“, erklärt Hanno Sprissler, der vor seiner Weihe zum Diakon sein Geld als Journalist verdient hat und der das Projekt „Kirche für Leib und Seele“ im Wesentlichen verantwortet.
Dass der „sterbende Kirchort“ heute ein Ort pulsierenden Lebens ist, an dem auch wieder Taufen, Trauungen, regelmäßige Taizégebete und andere geistliche Veranstaltungen stattfinden, ist Sprissler und einem Team engagierter Frauen und Männer zu verdanken. Sie haben der riesigen Kirche, in der sich vor der Neuorientierung in den zwei wöchentlichen Gottesdiensten lediglich eine Handvoll Gläubige verlor, neues Leben eingehaucht. Dank verschiedener Maßnahmen – unter anderem wurden die Kirchenbänke gegen die Stühle aus dem Pfarrheim ausgetauscht und Rollschränke angeschafft, die nicht nur zur Aufbewahrung dienen, sondern auch bei der Raumaufteilung zum Einsatz kommen – wird der Raum der Kirche multifunktional genutzt.

Vor Freude geweint
Marias finanzielle Möglichkeiten sind aufgrund ihrer Lebensumstände sehr eingeschränkt – um es vorsichtig zu formulieren. Als eine Freundin sie auf die zweimal wöchentlich stattfindende Lebensmittelausgabe in St. Karl Borromäus für bedürftige Menschen aus dem Viertel aufmerksam macht, zögert Maria lange, diese Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
„Auch nachdem ich mich angemeldet hatte und eine Einladung bekam, zur Lebensmittelausgabe zu kommen, hat es noch mehrerer Anläufe bedurft, bis ich dann das erste Mal am ,Tag der Lebensmittel‘ die Schwelle des Kirchenportals überschritten habe.“ Die Begrüßung, der Empfang, die Bedienung durch die große Zahl der ehrenamtlich tätigen Frauen und Männer, die den Gästen die Lebensmittel überreichen, seien für sie so überwältigend gewesen, dass sie vor Freude geweint habe, erinnert sich Maria auch nach Jahren immer noch tief bewegt an ihren ersten Kontakt mit der „Kirche für Leib und Seele“.

Erfolgsgeschichte mit FC
Begonnen hat die Erfolgsgeschichte von St. Karl Borromäus mitten in der Coronazeit. In Zusammenarbeit mit der Stiftung des 1. FC Köln – deshalb ist während der Lebensmittelausgabe auch immer eine lebensgroße Geißbock-Figur mit FC-Schal in der Kirche – wurde im November 2020 die „FC-Lebensmittelausgabe an St. Karl“ ins Leben gerufen. Fünf Frauen und Männer versorgten anfangs 50 Gäste aus den umliegenden Stadtteilen mit Lebensmitteln. Inzwischen leisten rund 150 Ehrenamtliche diese Arbeit für mehr als 800 Menschen. „Sülz und Pfeffer“ lautet der Name einer zehnköpfigen Gruppe, die im Caritas-Zentrum im Untergeschoss von St. Karl Essen für 150 Gäste kocht. In Nebenräumen der Kirche ist die Kleiderkammer untergekommen, und seit knapp einem Jahr ergänzt „Krimskrams-Karl“ das Angebot. Dabei handelt es sich um Waren aus Haushaltsauflösungen, die in den Schränken in der Kirche gelagert und gegen einen geringen Geldbetrag abgegeben werden.
Für Maria hat sich das Leben seit ihrem ersten Besuch in vielerlei Hinsicht zum Positiven verändert. „Nicht nur, dass mein Kühlschrank dank der Lebensmittelspenden jetzt so voll ist wie nie zuvor. Ich habe auch den Mut gefunden, mich hier einzubringen – als Ausdruck meiner Dankbarkeit für die Unterstützung, die ich nicht nur in materieller, sondern auch in spiritueller Hinsicht an diesem Wohlfühlort erfahre. Seit drei Jahren helfe ich bei der Lebensmittelausgabe mit.“ Sie habe hier einen neuen Zugang zur Kirche gefunden. „Das verdanke ich den Menschen, die sich hier so wunderbar und wohltuend einbringen und St. Karl mit einem besonderen Geist erfüllen. Und genau deswegen liebe ich diese Kirche!“, sagt Maria und strahlt vor Glück.
Kontakt zur Redaktion
Sie haben Fragen zur AdventsZeit?
Schreiben Sie uns gerne eine Mail an: