Über mehr Menschlichkeit im Pflegealltag:Rasselbanden für Lebenslust

Morgens, wenn die Eltern ihre Kinder in die Kita St. Elisabeth bringen, sind die Bewohnerinnen und Bewohner des Paul-Hanisch-Hauses oft schon draußen. Die einen sitzen im Rollstuhl, die anderen stehen hinter Rollatoren. Sie winken, während die Kleinen mit ihren bunten Rucksäcken vorbeihüpfen.

Dass sich Alt und Jung hier, unweit des Wuppertaler Zoos, begegnen, ist kein Zufall. Seit 30 Jahren arbeiten das Altenzentrum der Caritas und die benachbarte Kita zusammen. Früher wurde gemeinsam gekocht oder getanzt, heute – da viele Bewohner pflegebedürftiger sind – singen die Kinder, feiert man zusammen Erntedank oder trifft sich zufällig vor der Tür. „Unsere Bewohner brauchen mehr Kontakte als nur die zu den Mitarbeitenden“, sagt Leiterin Kerstin Quiencke. „Die Kinder bringen Leben ins Haus.“ Das mache etwas mit den Seniorinnen und Senioren. „Sie sind wacher, interessierter – manche erzählen plötzlich Geschichten, die sie lange verschwiegen haben. Sie bleiben einfach länger fit.“

Wunderbare Vertrautheit
Auch die Kita profitiert. „Viele Kinder haben heute weniger Kontakt zu Großeltern“, sagt Leiterin Julia Palme. „Hier erleben sie Nähe und Rücksichtnahme. Sie lernen, dass Altsein nicht nur Schwäche bedeutet.“ Gemeinsam planen beide Einrichtungen nun einen „Sinnesgarten“ – mit einem Apfelbaum in der Mitte, um den Erinnerungen wachsen dürfen: Fotos von verstorbenen Bewohnern, vielleicht auch von Haustieren der Kinder. Ein Ort des Miteinanders. Wie stark solche Begegnungen wirken, zeigt sich auch andernorts.
In Leverkusen steigen die Kinder der Kita Maximilian Kolbe regelmäßig in den Bus – acht Stationen bis zum Wohnpark Bürgerbusch. Dort warten zwei Dutzend Bewohnerinnen und Bewohner, unter ihnen Horst Müller, 95. Wenn die Kinder kommen, blüht der ehemalige Grundschullehrer auf. Gemeinsam wird gesungen, geraten, gelacht. „Zuerst sind sie schüchtern“, erzählt der Senior, „aber dann ist da plötzlich Vertrautheit. Das ist wunderbar.“ Damit solche Begegnungen nicht dem Zufall überlassen bleiben, unterstützt die „Generationsbrücke Deutschland“ Einrichtungen beim Aufbau fester Beziehungen. „Wir wollen mehr als gemeinsame Aktionen“, erklärt Projektkoordinator Hans Schleicher-Junk. „Es geht um nachhaltige Bindungen und gegenseitiges Verständnis.“

Künstliche Intelligenz
Während in Wuppertal und Leverkusen Begegnung wächst, schafft moderne Technik Freiräume dafür. In ihren Altenzentren in Rommerskirchen und Kaarst-Büttgen nutzt die Caritas im Rhein-Kreis Neuss die sprachgesteuerte App „Dexter“. Pflegekräfte wie Anett Richter sprechen Beobachtungen direkt ins Smartphone. Blutdruck, Stimmung, Veränderungen – alles landet automatisch im System. So sparen sie täglich rund eine halbe Stunde Dokumentationszeit. Zeit, die sie nun mit den Bewohnerinnen und Bewohnern verbringen können. „Ich bleibe einfach länger im Zimmer“, sagt Richter. Pflegedienstleiter Alessandro Ficociello sieht, was das bewirkt. „Viele Bewohner haben Redebedarf, das geht im Stress oft unter“, sagt er. Die App schafft Zeit für Gespräche – den Kern der Arbeit.
Das Besondere an „Dexter“: Mithilfe Künstlicher Intelligenz wird das Eingesprochene sauber dokumentiert und von Fehlern bereinigt. „Wer gebrochen Deutsch spricht, dessen Sätze stehen am Ende trotzdem korrekt im System“, sagt Lexa Romboy, Leiterin des Qualitätsmanagements der Caritas-Seniorendienste im Rhein-Kreis Neuss. Pflegekräfte berichten, sie seien weniger erschöpft und könnten den Menschen mehr Zuwendung geben. Das mache den Beruf attraktiver.
Zurück in Wuppertal. Die Kinder gehen nach Hause, die Alten bleiben noch in der Sonne sitzen. Eine Mitarbeiterin erinnert sich an frühere Zeiten: Im Jahr 2000 präsentierte das Haus sein Generationen-Projekt auf der Expo in Hannover – mit einem Poster, das Kinder und Senioren zeigte, nebeneinander, mit ihrem Alter darunter. Zusammen waren es 486 Jahre Lebenserfahrung.
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