Ein Haus für den Herrn :Das Sakramentshaus in St. Petrus in Meckenheim-Lüftelberg

Sandstein
letztes Drittel 15. Jh.
In der Kirche zum hl. Petrus in Meckenheim-Lüftelberg steht an der nördlichen Chorwand in filigraner Kleinarchitektur ein spätgotisches Sakramentshaus (Abb. 1). Bei der Kirche handelt es sich um einen eher kleinen, einschiffigen Bau. Der Westturm enthält noch romanische Bausubstanz, ein neuer, aufwändiger Chor mit polygonaler Apsis datiert um 1200, das einschiffige Langhaus wurde um 1300 umgebaut und gewölbt (Abb. 2). Der Sakristeianbau und weitere kleinere Renovierungen stammen aus barocker Zeit.
Das Lüftelberger Kirchlein hat sich bis heute erstaunlich viel historische Ausstattung bewahrt. So stammen neben dem Sakramentshaus noch der Altar, das Taufbecken und mehrere Figuren aus dem Mittelalter, einige Gemälde und weitere Statuen sind in der Neuzeit und im Barock hinzugekommen. Grund für die doch reiche Ausstattung an diesem vergleichsweise abgelegenen Ort ist zum einen die Förderung durch die ansässigen Burgherren, aber auch die seit dem 13. Jahrhundert nachweisbare Verehrung der hl. Lüfthildis, die auf ebenjener Burg gewirkt haben soll und deren Gebeine bis heute in der Kirche aufbewahrt werden. Die Kirche wird daher oft auch mit dem Doppelpatrozinium hl. Petrus und hl. Lüfthildis genannt.
Das Sakramentshaus trägt auf mehreren dünnen Säulchen den hochrechteckigen Hostienschrank bzw. Tabernakeltresor mit vergoldeter Tür, der teilweise in die Wand eingelassen und durch ein äußeres Metallgitter zusätzlich verschlossen ist. Vor den seitlichen Rahmenleisten des Tresors stehen auf Säulen, von Baldachinen überkrönt, zwei Engel mit Kelchen (Abb. 3 und 4). Darunter steht an der mittleren Bündelsäule des Fußes auf einem kleinen Podest ein Priester, der in den Händen einen Kelch oder Ziborium hält, überdeckt mit einem Tuch oder Ziboriumsmäntelchen (Abb. 5). Möglicherweise ist hier der Stifter des Werkes dargestellt. Sein Blick ist nach Osten zum Altar gerichtet. Mit den Kelchen und der Andeutung des verhüllten Allerheiligsten, der geweihten Hostie, verweisen die Figuren deutlich auf den Zweck und die Bedeutung des Tabernakels als Ort der Aufbewahrung des Allerheiligsten.
Schon die Architektur in diesen unteren Bereichen zeigt einen verspielten Detailreichtum von hoher handwerklicher Qualität: Einige Säulen haben gedrehte Schäfte, die Stütze hinter der Priesterfigur ist aus mehreren dünnen, freistehenden Säulchen zusammengesetzt. Baldachine und Ecken sind durch Miniaturmaßwerk, winziges Astwerk und Krabben verziert. Charakteristisch für die Spätgotik des fortgeschrittenen 15. Jahrhunderts sind die Verschneidungen bzw. das „Durchstecken“ von Kanten, Profilen und Kielbogenformen. Richtig opulent wird das Werk oberhalb des Tabernakeltresors. In Form eines breiten Baldachins ragt die Kleinarchitektur nun dreidimensional in den Raum hinein. Nach außen hin ist der Baldachin durch sich verschneidende Kielbögen gebildet, bereichert durch filigranes Maßwerk, Fialen, und Blattkrabben. Die oberen Enden werden durch Kreuzblumen abgeschlossen (Abb. 6). Darüber wächst – noch einmal so hoch wie der ganze Aufbau darunter – ein turmartiges Gebilde aus zahlreichen kleinen Säulchen, Türmchen und Strebeelementen empor. Die Spitze endet beinah millimetergenau unter dem Gewölbe.
Die genaue Entstehungszeit und der Künstler des Lüftelberger Sakramenthauses sind nicht bekannt. Es fügt sich jedoch hervorragend in einen regelrechten ‚Trend‘ zu enorm aufwändigen, turmförmigen Sakramentshäusern ab der zweiten Hälfte bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Ein in vielen Details sehr ähnliches Sakramentshaus steht in der nicht weit entfernten ehemaligen Stiftskirche St. Chrysanthus und Daria in Bad Münstereifel (Abb. 7). Es ist inschriftlich datiert auf 1480. Auch hier trägt ein eher schmaler Sockel den in die Wand eingelassenen, vergitterten Hostienschrank, darüber greift ein Baldachin mit reichem Maßwerkturm weiter in den Raum hinein. Von den Proportionen her erscheint dieser Maßwerkturm nicht ganz so hoch wie der Lüftelberger. Um die Spitze noch unterzubringen, musste in Bad Münstereifel dennoch ein Stück der älteren Gewölbe ausgebrochen werden – ein fast schon demonstrativer Hinweis auf die „leider“ zu große neue Anschaffung.
Eine weitere Besonderheit des Lüftelberger Tabernakels soll schließlich nicht unerwähnt bleiben. Er steht nämlich direkt neben seinem Vorgänger, einer schlichten Wandnische mit steinernem Rahmen. Ebenso wie diese in auffälliger Weise die Wandvorlage der Architektur um 1200 stört (Teile davon wurden für den Einbau des Wandtabernakels offensichtlich ausgebrochen), überbaut das neue Sakramentshaus Teile der Rahmung dieser Nische (Abb. 8). Diese Bauabfolge in der Lüftelberger Kirche illustriert beinahe textbuchmäßig die künstlerische Entwicklung des Ortes für die Aufbewahrung der konsekrierten Hostie im Lauf des Mittelalters: Während in romanischen und frühgotischen Kirchen oft recht schlichte Wandnischen für die Aufbewahrung der Eucharistie dienten, wurden diese mit einer zunehmenden Sakramentsverehrung seit dem 13. Jahrhundert immer häufiger architektonisch und künstlerisch ausgeschmückt, um der Bedeutung des Ortes auch visuell Rechnung zu tragen. Die Gestalt des turmförmigen, oft freistehenden oder an die Wand gelehnten Sakramentshauses aus opulenter Kleinarchitektur wurde dabei zu einem bevorzugten Typus in Mitteleuropa. Diese Entwicklung kulminierte gegen Ende des 15. Jahrhunderts in einigen wahrhaft virtuosen Stücken wie den Sakramentshäusern in der Nürnberger Lorenzkirche oder im Ulmer Münster. Auch das Sakramentshaus in Lüftelberg ist ein würdiger Vertreter dieser typisch spätgotischen Kunstwerke.