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Ein mittelalterliches Chorfenster in der Wallfahrtskirche zur Schmerzhaften Mutter in Hennef-Bödingen

Wallfahrtskirche Zur Schmerzhaften Mutter, Bödingen (Hennef). Chorfenster, Detail.
Datum:
1. Dez. 2025
Von:
Silke Ingenhorst
Objekt des Monats - Dezember 2025

Meister der Kölner Malerschule
um 1500
Antikglas, Blei, Schwarzlot, Silbergelb

 

Die Wallfahrtskirche zur Schmerzhaften Mutter in Bödingen (Hennef) ist einer der ältesten Wallfahrtsorte in Deutschland. Die Verehrung des dortigen Gnadenbildes begann im 14. Jahrhundert, als der Junggeselle Christian Lauthausen eine Marienerscheinung hatte, in der die Gottesmutter ihn aufforderte, ihr ein Bildnis zu setzen. Vermutlich um 1350 ließ Lauthausen eine Pietà in Köln schnitzen, die der ihm erschienenen Schmerzhaften Mutter entsprach. Anfangs wurde das Gnadenbild, das sich bald als wundertätig erwies, in einem Bildstock bei Altenbödingen aufgestellt. Dort wurde das Marienbild Ziel großer Pilgerströme. Um diesen gerecht zu werden, entschied man sich 1397 zum Bau der heutigen Wallfahrtskirche (Weihe 1408), die „in bivio montis“ auf dem Bödinger Berg, an der Stelle, wo sich die Wege der Orte Lauthausen und Oberauel treffen, errichtet wurde. Mit dem 1423 auf dem Kölner Provinzialkonzil eingeführten Kompassionsfest, dem Fest der „Betrübnis und Schmerzen Mariens unter dem Kreuz“, erfuhr der Wallfahrtsort weiteren Zulauf, so dass 1424 in Bödingen das Kloster der Augustiner Chorherren gegründet wurde, um den Pilgerströmen gerecht zu werden.

Das Chorfenster
Um 1490 entschied man sich, den Chor sowie das Querhaus, dessen Arme heute Taufort und Gnadenaltar beherbergen, anzubauen. 1500 war die Baumaßnahme der Chorerweiterung fertiggestellt. Aus dieser Zeit stammt auch das Chorfenster mit der Darstellung der Kreuzigung, das sich heute im mittleren Fenster des Chores befindet. Es ist das einzige, das sich von ehemals sieben Fenstern in der Chorapsis erhalten hat. Zusammen thematisierten sie wahrscheinlich die Sieben Schmerzen Mariens: die Weissagung Simeons, die Flucht nach Ägypten, der Verlust des zwölfjährigen Jesus im Tempel, die Begegnung mit Jesus auf dem Kreuzweg, Kreuzigung und Sterben Jesu, die Kreuzabnahme und Beweinung sowie die Grablegung Jesu.

Das Fenster mit Darstellung der Kreuzigung ist nur noch fragmentarisch erhalten und fügt sich in ein schlichtes grautoniges Ornament von Paul Weigmann, nach dessen Entwurf auch die übrigen Fenster der Kirche in den Jahren 1967 bis 1972 ausgeführt wurden. Schon im 19. Jahrhundert hatte man die Fragmente der mittelalterlichen Glasmalerei restauriert und ergänzt. Das Vorhaben, die figürlichen Darstellungen der übrigen Chorfenster stilgleich zu rekonstruieren, wurde letztlich nicht umgesetzt.

Die Darstellung
Die Glasmalerei des Kreuzigungsfensters ist horizontal in zwei große Bildfelder geteilt, die von gotischen Architekturelementen gerahmt werden. Das obere Bildfeld zeigt die Szene auf Golgatha: Jesus am Kreuz mit gesenktem Haupt und geschossenen Augen. Drei Engel mit goldenen Kelchen sind bemüht sein Blut aufzufangen. Unter dem Kreuz stehen rechts Johannes und links Maria sowie den Kreuzstamm umfassend Maria Magdalena. Im Hintergrund ist eine offene Landschaft zu sehen, die neben einem Wald und einer Stadtansicht auch eine Burg auf einem hohen Berg präsentiert und damit das Geschehen in einer Region verortet, die der Lage der Bödinger Wallfahrtskirche ähnelt.
Die Darstellung des unteren Bildfeldes zeigt einen maßwerküberspannten Innenraum mit grafisch gemustertem Boden und einer ornamentierten Stoffbespannung, die den Hintergrund einer Personengruppe bildet, in deren Mitte sich das Wappen des Erzstifts und Kurfürstentums Köln mit reich dekorierter Helmzier und Stirnbrett präsentiert. Neben diesem Wappen kniet, in verkleinerter Wiedergabe, wie es für mittelalterliche Darstellungen üblich ist, der Stifter dieses Fensters. Es ist Hermann von Hessen (1475–1508), Kurfürst und Erzbischof von Köln, der sich so zum einen als Auftraggeber und Förderer ausweist und gleichzeitig um Fürsprache für sein Seelenheil bittet. Die beiden anderen Figuren sind durch die größere Wiedergabe und ihre goldenen Nimben bedeutungsperspektivisch als Heilige auszumachen. Auf der rechten Bildseite, dem Erzbischof gegenüber, steht mit zwei Kronen, einer auf ihrem Haupt und einer weiteren in ihrer Hand, die hl. Elisabeth von Thüringen. Sie ist als Stammmutter des Geschlechts der Landgrafen von Hessen, eine Patronin des Erzbischofs Hermann von Hessen. Der hinter ihm stehende Heilige, der seine Hand auf seine Schulter gelegt hat und sich damit ebenfalls als Patron präsentiert, lässt zwei Möglichkeiten der Identifizierung zu: Entweder handelt es sich hier um den hl. Augustinus, Patron der Chorherren des Bödinger Klosters, oder aber um den hl. Petrus, den Patron des Erzbistum Köln.

Einordnung
Die Darstellung des spätgotischen Bödinger Kreuzigungsfensters ist das Werk eines Meisters der Kölner Malerschule, vor allem die reliefierten Säulen am Rand der beiden Szenen, sind hier für die Zuschreibung charakteristisch. Als ausführende Werkstatt wurde die des Glasmachers Hermann Pentelynk Vater und Sohn in Köln, welche auch die Fenster in der Nordwand des Kölner Doms gefertigt hat, vermutet. Die Identifizierung des Meisters, der den Entwurf erstellte, ist allerdings schwierig. Zum einen, weil das Fenster sich nur fragmentarisch erhalten hat, zum anderen, weil es in den letzten fünf Jahrhunderten stark überarbeitet und ergänzt wurde.

Neben ihrem transzendent schmückenden Aspekt, den Kirchenraum ätherisch in farbiges Licht zu hüllen, sollten die mittelalterlichen Kirchenfenster durch ihre Glasmalerei auch narrative und durchaus komplexe Inhalte anschaulich vermitteln. Sie richteten sich an die Gläubigen und Kirchgänger, die zum Großteil nicht lesen konnten.
Das Bödinger Chorfenster visualisiert eine wichtige Szene der Heilsgeschichte, die hier bildlich nachempfunden werden kann, nämlich den Kreuztod Jesu und die damit verbundenen Schmerzen Mariens. Gleichzeitig wird mit der Darstellung des unteren Bildfelds auch eine Einordnung in die religionspolitische Landschaft vorgenommen, die den Wallfahrtsort in seiner Verbindung mit dem Erzbistum Köln und den Augustiner Chorherren zeigt. Insbesondere vor dem Hintergrund des vom Kölner Erzbistum ausgerufenen Kompassionsfest, das heute nur noch in Bödingen jährlich gefeiert wird, verdeutlicht das Kreuzigungsfenster der Wallfahrtskirche zur Schmerzhaften Mutter, wie die Kunstausstattung, in diesem Fall eine spätgotische Glasmalerei, die Bedeutung des Ortes auf gelungene Weise kontextualisiert.

Literatur/Quellen

Beutler, Werner und Fischer Helmut: Hennef-Bödingen (Rheinische Kunststätten 119), Neuss 1990.

Busch, P. Gabriel (Hg.): Bödingen ist eine Wallfahrt wert, Siegburg 1981.

Busch, P. Gabriel (Hg.): Alte Kirchen um den Michaelsberg. Das ehemalige Dekanat Siegburg, II. Band, Siegburg 1986.

Cremer, Carl: Die Wallfahrt zur schmerzhaften Mutter in Bödingen. Kurze Geschichte des Gnadenortes Bödingen nebst einigen Andachtsübungen zur Verehrung der schmerzhaften Mutter Maria, Köln 1887.

Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Nordrhein-Westfalen I, Rheinland, München/Berlin 2005.

Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts e. V., https://www.glasmalerei-ev-web.de/pages/b6584/b6584.shtml (zuletzt aufgerufen am 30.10.2025).