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Strenge und Geschlossenheit. Eine Figur des Gekreuzigten von Georg Grasegger in St. Severin in Bonn-Mehlem

Korpus, Gesamtansicht, St. Severin, Bonn-Mehlem
Datum:
28. Apr. 2023
Objekt des Monats – Mai 2023

Georg Grasegger, Köln
1921
Bronzeguss
Höhe: ca. 140 cm
Signatur: GG an der Seite des Suppedaneums (Fußstütze) unterhalb des rechten Fußes


Wenn man die Kirche St. Severin in Bonn-Mehlem durch das Südportal betritt, fällt in der Vorhalle der Blick sogleich auf einen an eine weiße Wand gehängten expressiven, im Laufe der Zeit in Grüntönen korrodierten Korpus, der von einem großen, scheibenartigen Nimbus mit gewelltem Rand hinterfangen wird.

Die gelängte und äußerst schlanke Figur zeigt den Gekreuzigten mit waagerecht ausgestreckten Armen und leicht angewinkelten Beinen, so dass der Eindruck eines beinahe aufrechtstehenden Körpers entsteht. Der Mittelpunkt des Nimbus scheint dabei im Bereich des Herzens Jesu zu liegen, dessen Haupt mit den weit geöffneten, leicht hervortretenden, geradezu stechenden Augen nach vorne geneigt ist.

Der Korpus wurde allerdings nicht für den heutigen Standort geschaffen, auch wenn seine jetzige Position auf die frühere Anbringung Bezug nimmt. Er gehörte nämlich ursprünglich zu einem Gefallenenehrenmal[1], das in das Querschiff- oder Südportal (das heutige Hauptportal) der Kirche eingebaut und am 11. September 1921 eingeweiht worden war – damals unter der Bezeichnung „Kriegergedenkaltar“[2]. Das Ehrenmal bestand aus einem Kreuz mit breitem Stamm und Balken; die Namen der Gefallenen waren links und rechts des Stammes angeordnet. Das Kreuz stand auf einem leicht aus der Bogenlaibung kragenden Sockel, der in der Tat an einen Altar erinnerte, und der früher beim Schlusssegen der Fronleichnamsprozession als Segensaltar diente. Dieser trug eine siebenzeilige Inschrift:

DEN GEFALLENEN BESCHUETZERN UNSERER /
HEIMAT DIE DANKBARE GEMEINDE MEHLEM /
1914 / 1915 / 1916 / 1917 / 1918

Das Ehrenmal ging aus einer Kooperation zwischen der seinerzeit noch selbstständigen Gemeinde Mehlem[3] und dem Kölner Institut für religiöse Kunst hervor, das Anfang der 1920er Jahre von dem Theologen und Kunsthistoriker Fritz Witte (1876 – 1937) gegründet worden war. Der Entwurf für das Kreuz, den Sockel und den Korpus, der „aus ästhetischen Gründen“[4] unvergoldet blieb, stammt von dem Bildhauer Georg Grasegger (1873 – 1927), einem Mitarbeiter des Instituts, der seit 1901 an der Kölner Kunstgewerbeschule und von 1913 bis zu seinem Tod an den Kölner Werkschulen tätig war. Grasegger hat nach dem Ersten Weltkrieg deutschlandweit zahlreiche Gefallenendenkmale in dichter Folge geschaffen, darunter zwei in Köln. Das eine befindet sich im Kölner Dom[5] (1920), das andere im Friedenspark/ehem. Hindenburgpark[6] (1927). Ein Vergleich des Mehlemer Denkmales mit diesen beiden Werken unterstreicht dabei eindrucksvoll die Vielseitigkeit des Künstlers.

Leider wurde das Mehlemer Gefallenenehrenmal im Laufe des Jahres 1970 im Zuge der Sanierung und Umgestaltung von St. Severin abgebrochen und das Südportal wieder geöffnet. Den Korpus aber brachte man nach erneuter Umgestaltung der Kirche 1999 am jetzigen Standort an, wo er die Besucher beim Betreten der Kirche mit weit geöffneten Armen empfängt. Vor Wind und Wetter geschützt mag er dort bis in die fernste Zukunft auf die Menschen wirken und sie zum Gebet einladen.


Carsten Schmalstieg

Literatur und Quellen

Becks, Leonie: Das Kriegerdenkmal von Georg Grasegger im Kölner Dom. In: Kölner Domblatt 2007, S. 323-348.

Dietrich, Gerhard: …die Welt ins Bildhafte zu reißen. Georg Grasegger 1873 – 1927. Ein bayerischer Bildhauer in Köln. Leben und Werk (= Schriftenreihe der Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln, Band 8, herausgegeben von Elke Purpus). Köln 2020.

Godesberger Volkszeitung, 01.09.1921.

Stadtarchiv Bonn, Akte Go 3328.

Schriftliche und mündliche Auskünfte von Herrn Friedrich Wetter, Bonn-Muffendorf.


[1] Dietrich 2020, S. 270f.
[2] Enthüllung eines Kriegergedenkaltars in Mehlem. In: Godesberger Volkszeitung, 01.09.1921, S. 2.
[3] Mehlem wurde erst 1935 nach Bad Godesberg eingemeindet.
[4] Dietrich 2020, S. 271.
[5] Becks 2007, S. 323-348 und Dietrich 2020, S. 267-269.
[6] Becks 2007, S. 344f. und Dietrich 2020, S. 288-291.