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Wie für einen Dom geschaffen. Ein Vortragekreuz in St. Lucia in Overath-Immekeppel

Overath-Immekeppel, St. Lucia, Vortragekreuz, Vorderseite
Datum:
1. Juni 2025
Von:
Carsten Schmalstieg
Objekt des Monats - Juni 2025

Maasgebiet, um 1150 
Korpus: Silber, gegossen (Höhe 19 cm, Breite 20 cm)
Kreuz: Messing, gegossen (Höhe 32 cm, Breite 26 cm)

 

Die Pfarrkirche St. Lucia in Immekeppel wird von vielen Menschen wertschätzend als „Sülztaler Dom“ bezeichnet. Und in der Tat handelt es sich bei der zwischen 1885 und 1891 erbauten Kirche um ein imposantes neuromanisches Gotteshaus mit einer langen Geschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht. 1215 wird eine beim damals so genannten Lehnshof „Sulsen“ bereits vor 1166 bestehende Kapelle erstmalig urkundlich erwähnt, die in einem Pachtvertrag aus dem Jahr 1309 die Bezeichnung „Ymminkappelin“ trägt – nach ihrem Erbauer Graf Immo von Loon. Sie wurde 1166 zusammen mit dem Lehnshof von der damaligen Eigentümerin Gräfin und Äbtissin Hildegunde von Are (von Meer) dem von ihr gestifteten Prämonstratenserinnenkloster Meer geschenkt (heute Haus Meer in Büderich, Stadt Meerbusch). Um 1400 ersetzte man die Kapelle durch eine größere Kirche, die das Bild des Sülztales mehr als vier Jahrhunderte lang prägte, schon bald aber für die wachsende Zahl der Gläubigen nicht mehr genügend Raum bot. 1871 wurde sie wegen Baufälligkeit geschlossen, und die Gemeinde musste sich zwölf Jahre lang mit einer Notkirche behelfen, die 1883 abbrannte und schließlich durch das heutige Bauwerk ersetzt wurde. 

Das bedeutendste Objekt in St. Lucia ist ein aus Silber und Messing äußerst fein gearbeitetes romanisches Vortragekreuz. Ein Vortragekreuz – es kann aus Metall oder Holz bestehen − wird auf einer Stange beim Einzug in die Kirche zur Hl. Messe, bei Prozessionen, Wallfahrten, Begräbnisfeiern oder Gräbersegnungen vorangetragen und kann während der Messfeier in der Nähe des Altares aufgestellt werden. 

Das Kreuz in Immekeppel mit seinen T-förmigen Enden wird als Krückenkreuz bezeichnet. In seinen Zwickeln befinden sich Palmetten; die Vorderseite wird von einem erhabenen Rand mit dichten Kreuzschraffuren eingefasst. Am Kreuzstamm oberhalb des Titulus ragt flankiert von zwei Sternen die reliefierte Dextera, die rechte Hand Gottes, nach unten weisend aus einem Gewandärmel. Unten am Stamm und an den Balkenenden sind jeweils drei Sterne eingraviert. Die Rückseite zeigt in der Kreuzvierung das Eucharistische Lamm in einem Medaillon und auf den Kreuzenden, ebenfalls in Medaillons, die Symbole der Evangelisten. Der flache Rand ist auch hier mit Kreuzschraffuren versehen. Die die Medaillons verbindenden Mittelstreifen bestehen aus Kreuzschraffuren und Ranken; sie werden auf beiden Seiten von Sternen begleitet. 

Am Kreuz ist mit vier Nägeln ein silberner Korpus befestigt; das eine Krone tragende Haupt ist leicht nach rechts geneigt. Die Arme sind angehoben, die Hände mit einwärts gebogenen Daumen nach unten abgewinkelt. Die Rippen treten stark hervor, die Hüfte ist deutlich nach rechts verschoben und zusammen mit den Oberschenkeln in ein reich verziertes Lendentuch mit kunstvoll gebundenem Zingulum gehüllt. Jesus wird hier zwar als Leidender, aber auch als König und Sieger über den Tod dargestellt.

Vergleichbare alte und prächtige Vortragekreuze findet man heute noch in einigen Kirchen (z.B. in St. Pantaleon und St. Maria Lyskirchen in Köln) und in Museen: Ein ähnlicher Korpus – allerdings ohne Kreuz – wird im Kölner Museum Schnütgen bewahrt, ein fast identischer Korpus mit Krückenkreuz im Kopenhagener Nationalmuseum.

Das Vortragekreuz in St. Lucia, das spätestens um 1150, möglicherweise aber bereits schon im 11. Jahrhundert entstanden ist, dient als gutes Beispiel dafür, wie liturgische Objekte eine Brücke vom 21. Jahrhundert in die Vergangenheit schlagen. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass das Kreuz immer noch in die Gottesdienste im „Sülztaler Dom“ einbezogen wird. 

Literatur/Quellen

Frantzen, Leo: St. Lucia – Sülztaler Dom zu Immekeppel, 2. Ausgabe, Overath 2007, S. 16f.

Müller, Gerd: Der Lehnhof Sulsen-Immekeppel, ein rechtsgeschichtlicher Überblick, in: 800 Jahre Immekeppel. Ein Heimatbuch, hg. vom Arbeitskreis Heimatbuch Immekeppel, Bergisch Gladbach 1966, S. 170–179.

Panofsky-Soergel, Gerda: Die Denkmäler des Rheinlandes, 19. Band (Rheinisch-Bergischer Kreis 1, Bechen – Hohkeppel), hg. vom Landeskonservator Rheinland, Düsseldorf 1972, S. 55f.

Schneider, Walter: Die katholische Pfarrkirche St. Lucia in Immekeppel, in: Achera (Beiträge zur Geschichte der Stadt Overath 8), Overath 2004, S. 6f.