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Reisetagebuch:Brasilien-Reise 2025: Im Dialog mit der Kirche vor Ort

Mit den Franziskanerinnen existiert bereits eine jahrzehntelange Freundschaft.
Datum:
26. Mai 2025
Nadim K. Ammann und Christoph Huber besuchen in diesen Tagen den CELAM, die lateinamerikanische Bischofskonferenz, und sprechen mit Projektpartnern vor Ort. Im Reisetagebuch berichtet Ammann, was die Kirchen und Gemeinschaften in Brasilien bewegt. Nach der Abrodung des Regenwaldes entstehen neue Städte, aber auch Herausforderungen für das kirchliche Glaubensleben.

In Sao Paolo gelandet, haben die beiden die Franziskanerinnen von Bonlanden, Pater Hans Stapel OFM in der Fazenda da Esperanza und die Fokolare im Mariapoliszentrum Ginetta besucht. Es sind drei wichtige Partner mit besonderen Geschichten und Erlebnissen: Mit den Franziskanerinnen verbindet Ammann eine ganz alte Freundschaft, die sein Vorvorgänger Prälat Michel einst begonnen hatte.

Fazenda da Esperanza: Harmonie und Mitmenschlichkeit

In der Fazenda da Esperanza wiederum leben Drogenabhängige, die in familienähnlichen Situationen untergebracht werden, gemeinsam arbeiten, Liturgie feiern und beten. Die Erfolgsquote, die Drogensucht zu verlassen, sei signifikant höher als bei üblichen Entzugstherapien, schildert Ammann. Harmonie gehöre zum Heilungsprozess der Fazendas dazu. Die Zeugnisse der Abhängigen berühren die beiden. Der Besuch von Papst Benedikt hatte dazu geführt, dass die Fazenda weltweit bekannt wurde. Damals gab es 43 Fazendas, mittlerweile sind es 170 Einrichtungen in 29 Ländern.

Fokolarbewegung: Pilotprojekt gestartet

Bei den Fokolaren hat das Erzbistum ein Pilotprojekt gestartet. „Wir haben das Zentrum (und zwei weitere) mit Solaranlagen versorgt. Da es dadurch Strom spart, wird der Zuschuss über eine Laufzeit von fünf Jahren zurückgezahlt. Das Geld kommt aber nicht nach Deutschland zurück, sondern wird von einem ehrenamtlichen Verein in Brasilien verwaltet“, schildert Ammann. „Wir schlagen diesem Verein einmal im Jahr Projekte vor, in die die erstatteten Mittel überwiesen werden sollen. Es sind ähnliche Projekte, die dann ebenfalls erstattet werden. Dadurch entsteht ein `revolving fund´, das Geld wird mehrfach verwendet. Bei zurückgehenden Mitteln ist das ein interessanter Ansatz, der auch den Partner stärker in die Pflicht nimmt.“

So konnte der Verein den beiden transparent zeigen, wie die Anlage Strom erzeugt, wie Geld gespart wird und was auf dem Konto bereits eingegangen ist. Dieses Jahr wird erstmalig ein Projekt damit finanziert werden können. Der Partner, der darin unterstützt, ist der aus der Fokolarbewegung hervorgegangene Verein Starkmacher mit Sitz in Mannheim.

Rondonia – Kirchliche Herausforderungen nach Rodung des Regenwaldes

In der Amazonasregion besuchen beide die Hauptstadt des Bundesstaates Rondonia, Porto Velho, und die Diözese Ji-Parana. Rondonia ist ein junger Staat, der erst in den 1980 mit der Rodung des Regenwaldes gegründet wurde.

Pastorale Arbeit in einer heterogenen Bevölkerung

Nadim K. Ammann beschreibt, dass sie beim Anflug auf Ji-Parana bereits den Unterschied zur damaligen Brasilien-Reise 2022 an den Amazonas sehen konnten: „Während wir 2022 nur Wald und Flüsse sahen, gab es nun sehr viel Land, auf dem Rinder weideten oder Soja und Mais angepflanzt wurden. Es ist kaum vorstellbar, dass hier einmal Wald stand. Die Fläche ist unglaublich groß. Hier lebte vorher die indigene Bevölkerung.“ Diese Entwicklung beschäftige auch die Pastoral, denn es gäbe keine homogene Bevölkerung, keine lokale Kultur.

Für die Kirche sei es wichtig, bei den Menschen zu sein. Da anzupacken, wo die Not ist. Der deutsche Bischof Norbert Förster SVD aus Ji-Parana besucht seine Gemeinden gerne am Wochenende, wenn er zur Firmung eingeladen wird. Das Essen findet dann in der Regel bei Familien statt. So lernt er auch Menschen aus seiner Diözese kennen und er lässt sich viel Zeit nach der Firmung, um für Fotos und Kontakte zur Verfügung zu stehen. 

An die Ränder gehen, um den Glauben zu leben

Der Erzbischof von Porto Velho, Dom Roque, fährt einen kleinen Fiat. Er benötigt kein großes Fahrzeug und will auch ein Beispiel geben. Vor ein paar Monaten hat er ein Zentrum für Obdachlose und Migranten mit der Caritas eröffnet. Hier bekommen die Obdachlosen eine Mahlzeit und können sich waschen. Mit den Schwestern in seiner Diözese kümmert er sich um benachteiligte Gruppen, wie Frauen, die häusliche Gewalt erleben und sehr arm sind. Sie lernen nähen und können ihre Produkte verkaufen. Die Schwestern betreuen sie auch psychologisch. Und die Arbeit mit den Indigenen ist sehr wichtig. Diese haben durch die Rodungen ihr Land verloren. Sie zu vertreten und für sie da zu sein, ist Aufgabe der Kirche.

Dom Roque ist in der regionalen Bischofskonferenz der zuständige Bischof für die Indigenen. Ihm ist es auch ein Anliegen, dass die Diözese auf eigenen Füßen steht. So sind auf sehr vielen Gebäuden Solaranlagen. Gebäude werden vermietet. Auch das Parken an der Kathedrale kostet Geld. Sehr beeindruckend fanden Ammann und Huber, dass die Pfarreien sich an jedem sozialen Projekt beteiligen. Mit den Jugendlichen seiner Diözese hat er eine Wallfahrt von der alten Kathedrale zur neuen Kathedrale gemacht. Die Diözese feiert 2025 ihr 100. Jubiläum, das mit einem Eucharistischen Kongress enden wird.

Acre und Brasileia: Grenzen überschreiten, um bei den Menschen zu sein

Von Porto Velho ging es nach Rio Branco, der Hauptstadt des Bundesstaates Acre. Der Staat hat eine ganz andere Geschichte als Rondonia. Lange hat er zu Bolivien gehört. Erst 1903 wurde nach langen Jahren des Konflikts ein Vertrag zwischen Brasilien und Bolivien unterschrieben. Seither gehört Acre zu Brasilien. Gemeinsam mit Rondonia und Mato Grosso bildet Acre einen Teil des Gürtels, in dem der Regenwald abgebrannt wird. Gemeinsam mit Bischof Dom Joaquin Fernandez besuchten wir die diözesane Farm und fuhren in entlegene Missionsstationen. Es war beeindruckend zu hören, wie die Schwestern zu Fuß durch den Wald gehen, um die Menschen in entlegenen Dörfern zu besuchen. Um Schlangen zu vertreiben, singen sie Lieder und beten den Rosenkranz.

Wir besuchten die Stadt Brasileia an der Grenze zu Bolivien, die mehrfach überschwemmt wurde. Die Missionare kümmern sich dort um Migranten, die aus Venezuela und vielen anderen Ländern kommen. In Rio Branco besuchten wir die Siedlung des Volkes, einen neuen Stadtteil, der für die Menschen gebaut wurde, die an den Flüssen leben. Die Franziskaner Missionsschwestern von Maria Hilf sind hier tätig und die Kirche hat Pastoralzentren an drei Standorten. Es ist wichtig, dass die Kirche in so einem prekären Stadtteil von Anfang an präsent ist. Beeindruckend war auch die 220ha große Farm auf der 150 Kühe gehalten werden und mehrere Fischteiche sind. So kann die Diözese ihre laufenden Kosten einigermaßen decken.

40. Vollversammlung des CELAM – Ein Rückblick

Die 40. Vollversammlung des CELAM wurde mit einem feierlichen Gottesdienst in der Kapelle der Schwestern vom Heiligsten Herzen Mariens eröffnet – genau dort, wo vor 70 Jahren auch die erste Vollversammlung stattfand. Der Erzbischof von Porto Alegre und derzeitige Präsident des CELAM, Dom Jaime Spengler OFM, enthüllte im Anschluss eine Gedenkplakette, die an dieses historische Ereignis erinnert.

Bischöfe aus nahezu allen Ländern Lateinamerikas waren nach Rio de Janeiro gekommen. Für Nadim K. Ammann und Christoph Huber war dies ein äußerst spannendes Ereignis – sie hatten die Ehre, dabei zu sein und aus erster Hand zu hören, wie es vielen Partnern des Erzbistums derzeit ergeht.

Schwierige Anreise zu einem bedeutsamen Treffen

Der Erzbischof von Port-au-Prince in Haiti, Msgr. Max Leroy Mésidor, berichtete, dass er per Hubschrauber aus Port-au-Prince ausgeflogen werden musste, da der Flughafen gesperrt war. Die Anreise nach Rio war für ihn sehr aufwendig und teuer. Die Delegation aus Nicaragua erhielt keine Ausreisegenehmigung, weshalb die dortigen Bischöfe bei der Versammlung fehlen. Die beiden Bischöfe aus Kuba reisten über die USA aus – dort wurden ihre Koffer geöffnet und potenzielle Exportwaren konfisziert.

Die Versammlung im Centro de Estudos de Sumaré bedeutet daher auch einen Tapetenwechsel: eine Gelegenheit für die Bischöfe, durchzuatmen, sich auszutauschen – und einfach einmal wieder gemeinsam zu lachen.

Populismus als gemeinsame Herausforderung

Die Berichte aus Venezuela seien erschütternd gewesen, berichtet Ammann. Ein zentrales Thema aller Beiträge sei der zunehmende Populismus. Auch wenn die Kirche in vielen Ländern nach wie vor eine gesellschaftliche Rolle spielten, spürten die Bischöfe zunehmenden Gegenwind.

Auch die Präsentation des CELAM sei beeindruckend verlaufen. Es gab vier thematische Zentren, die die Arbeit des CELAM strukturierten – etwa ein Zentrum für Wissenstransfer, die Arbeit mit territorialen Netzwerken (wie REPAM) sowie das CEBITEPAL, ein theologisches Institut zur pastoralen Aus- und Weiterbildung von Missionaren.

Zwischen den Vollversammlungen fanden regelmäßig Treffen zu verschiedenen Themen statt. Die besonderen Herausforderungen in der Amazonasregion wurden zudem durch eine eigene kirchliche Konferenz (CEAMA) aufgegriffen, die direkt dem CELAM-Präsidium unterstellt ist.

Transparenz und Prävention

In den Diskussionen nahmen auch die Themen Prävention und Transparenz einen breiten Raum ein. Für den Bereich Prävention existiert eine eigene Arbeitsgruppe. Die Notwendigkeit von Transparenz und der Kampf gegen Korruption wurden als Prioritäten gesehen. Viele Bischöfe erhoffen sich hierbei jedoch mehr konkrete Unterstützung durch das CELAM, da sie die Herausforderungen vor Ort nicht allein bewältigen können.

Die Vollversammlung endete mit einem feierlichen Gottesdienst und einem festlichen Abendessen zum 70-jährigen Jubiläum an der Päpstlichen Universität von Rio de Janeiro (PUC).

Am letzten Tag wurde an das Konzil von Nizea vor 1.700 Jahren gedacht. Dazu waren Vertreter verschiedener Denominationen eingeladen worden, die gemeinsam die Gruppe „we are one“ bilden. Für uns überraschend war, dass neben den Methodisten, Baptisten und anderen bekannten protestantischen Kirchen auch evangelikale Vertreter dabei waren, vor allem von der Assembleia de Deus, eine der größten Kirchen in Brasilien.

Viele unserer Partner sagten uns wiederholt, dass der Dialog mit den Evangelikalen nicht möglich sei. Dass das Gegenteil möglich ist, wurde uns heute deutlich. Wie mir ein Pastor dieser Kirche im Gespräch sagte, hat dies auf der einen Seite mit der väterlichen und fürsorglichen Art des Erzbischofs von Rio, Kardinal Orani, zu tun, aber vor allem auch, weil beide Seiten sich für den Dialog geöffnet hatten. Ein besonderer Moment war, als ein Bischof dieser Kirche für die Einladung dankte und dem Gebet vorstand. Es war ein toller Moment der Ökumene zum Abschluss der 40. Vollversammlung des CELAM, der zeigte, dass wir Christen eine Einheit bilden können.

Diözesanstelle Weltkirche & Dialog

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