Interview führte: O.Gruschka
Schulmagazin:
Die Zeit ist gekommen. Welche Gefühle stellen sich ein?
Dr. Hösen:
Niemand ist unentbehrlich. Man steht in der Reihe, hatte Vorgänger und werde Nachgänger haben. Es kommt die Zeit, da jüngere Leute mit neuen Ideen übernehmen müssen. Ich hatte nun 25 Jahre als Schulleiter, dies ist eine lange Zeit, aber irgendwann ist es eben vorbei, das muss man zur Kenntnis nehmen.
Schulmagazin:
Ein wenig Wehleid sehe ich schon in Ihren Gesichtszügen.
Dr. Hösen
Klar, natürlich, ich habe es gerne gemacht und es ist nicht so, als würde ich auf meine Pensionierung warten. Es war eine schöne Zeit, die ich nie als Belastung empfunden habe, obwohl es natürlich anstrengend ist. Es gibt Ärger , aber dafür sind Schulleiter eben Schulleiter. Ein Fußballtrainer sagte, das Schmerzensgeld sei inbegriffen.
Schulmagazin
Der Schulleiter als Trainer ist ein gutes Stichwort.
Dr. Hösen:
Der Schulleiter ist mehr ein Notar, der zu Recht verhilft. Er versucht es jedenfalls.
Schulmagazin:
Wie ist denn Ihre Zeit rückblickend auf St. Anna gewesen. Sollen wir die Zeit hier eher subjektiv oder naturwissenschaftlich begreifen?
Dr. Hösen
Die Zeit ist mit Sicherheit ein naturwissenschaftliches Phänomen. Die Zeit ist vorbei, ist abgelaufen. Real ist im Prinzip nur der Augenblick. Ich erinnere mich an das Davorliegende und alles, was kommt erblicke ich mit den Erfahrungen der Vergangenheit entgegen. Ich erlebe nur den Augenblick.
Schulmagazin:
Die Präferenz des Augenblicks ist nun starker Tobak. Gibt es überhaupt den Augenblick?
Dr. Hösen
Physikalisch auf jeden Fall.
Schulmagazin:
Ja aber, wo ist er denn. Er ist doch immer weg?
Dr. Hösen
Ist ein Punkt, hat keine Ausdehnung, Ist vorhanden.
Schulmagazin:
Die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise geht aber am Subjekt vorbei. Es kann den Augenblick nicht fassen und hat damit keine benennbare Vergangenheit und keine Zukunft. Es bleibt nur das laue Gefühl eines zeitlichen Kontinuums.
Dr. Hösen:
Wenn ich von der Zeitmessung ausgehend weiter schaue, bin ich allerdings schon wieder in der Relativitätstheorie. Hier die Zeit dann wieder relativ, verliert die klaren Definitionen, ist nicht mehr objektiv.
Schulmagazin:
Wir wollen aber, zumindest im Interview in eine überschaubare Wirklichkeit zurück. Sie sind jetzt seit 25 Jahren Schulleiter. Der Werdegang auf geradem Weg oder mit gebrochener Biografie?
Dr.Hösen.
Ja ich war vorher in Opladen und bin relativ schnell gefragt worden, ob ich mich mit Verwaltung beschäftigen würde. Habe dann den Stundenplan gemacht und die Oberstufe zusammen mit Herrn Malecki koordiniert, der später Schulleiter in Opladen wurde.
Dann stand die Option nach Wuppertal zu gehen im Raum. Ich habe mich beworben und bin es dann auch geworden.
Schulmagazin
Opladen scheint ja geradezu ein Schmelztiegel für Führungskräfte zu sein, Herr Nielen war in Opladen, Herr Pitsch war in Opladen, Sie waren in Opladen
Dr. Hösen
Frau Schulten-Willius war in Opladen, Herr Malecki und Frau Rapp waren in Opladen.
Schulmagazin:
Wenn sie bereits 25 Jahre Schulleiter sind, sind Sie , jenseits Ihrer naturwissenschaftlichen Betrachtung der Zeit, ein Zeitzeuge des wirkungsgeschichtlichen Bewusstsein Was hat sich denn in der Schule geändert.
Dr. Hösen:
Viel! Der neueste Gag sind die Kompetenzen, anstelle der Inhalte, denn Kompetenzen sind ohne Inhalte nicht vermittelbar. Ich bin immer noch der Meinung man solle etwas lernen , um hinterher etwas zu können. Gymnasiasten sollen studierfähig sein. Dies ist die eigentliche Aufgabe des Gymnasiums. Dazu habe wir in St. Anna eine enge Kooperation zur Universität. Als ich vor 25 Jahren kam, gab es das Thema: „Öffnung der Schule“. Es sollten Kontakte mit Grundschulen ,der Stadt und anderen Institutionen geknüpft werden. Der Ansatz, Schule solle sich öffnen ging dann fließen in die Kooperationen über.
Die für uns wichtigste und umfangreichste Kooperation ist für uns die Zusammenarbeit mit der Bergischen Universität. Natürlich hängt dies auch mit dem jetzigen Rektor der Universität zusammen, der seine Institution geöffnet hat. Hier laufen die verschiedensten Projekte als Langzeitarbeit und punktuelle Veranstaltung. Die Professoren kommen teilweise zu uns oder wir gehen mit ausgesuchten Kursen in die Uni. Diese Kooperation läuft seit dem Jahr 2011.
Schulmagazin:
Wuppertal ist die größte Stadt im Bergischen Land, ist St Anna auch die größte Schule?
Dr. Hösen:
Wir waren die größte Schule und sind nun einer der größten Schulen in Wuppertal. Wir sind durchgängig fünfzügig und dies ist angesichts der konfessionsgebundenheit außerordentlich. Es ist schon schwierig in dem wenig katholischen Bereich der Stadt Wuppertal. Das bergische Städtedreieck weist eine Katholikendichte von 20% auf. Nun aber ist es gut, dass das Konfessionsproblem ein wenig relativiert wird. Wir haben aber nach wie vor einen Katholikenanteil an unserer Schule von über 70 %.
Schulmagazin:
Wie sieht es denn mit der Einrichtung von Flüchtlingsklassen aus?
Dr. Hösen:
Ich habe dem Schulträger gesagt, wenn Bedarf bestünde, sind wir bereit, aber es ist bislang von der Stadt niemand auf uns zugekommen.
Schulmagazin:
Sie haben einen Sponsored Walk für die Flüchtlingshilfe mit einem tollen Ergebnis ausgerichtet.
Dr. Hösen
Wir haben im Laufe der Jahre drei oder vier Spendenläufe veranstaltet, wir machen es alle vier bis fünf Jahre. Die Spendenläufe sind immer ausschließlich für soziale Projekte zum Bsp. für ein Kinderhospiz, Straßenkinder in Peru und Wuppertal, Flüchtlinge u.a.m. Hinzu kommen Basare , deren jeweilige Erlöse in die dritte Welt gehen.
Schulmagazin:
Welche Schwerpunkte haben Sie an Ihrer Schule initiert?
Dr. Hösen:
Sicherlich habe ich zu einer naturwissenschaftlichen Ausprägung beigetragen, die Stärkung unserer Musikausrichtung, das DELF—Programm, haben mir viel Spaß gemacht. Auch war mir wichtig unsere religiöse Ausprägung, dass diese weiterlebt, mit den Wallfahrten, mit den Schulgottesdiensten, wir sind wohl eine der wenigen Schulen, wo das so praktiziert wird. Unser Engagement im Netzwerk MINT—EC, eine zukunftsweisende Geschichte, dann unser Engagement in der Lehrerausbildung, die Pilotphase Praxissemester. Ganz wichtig ist mir die Kooperation mit der Universität, im Rahmen der Projektkurse, die Zusammenarbeit mit der Studienberatung, denn meine Vorstellung ist immer noch, dass Schule bzw. Gymnasium in erster Linie zur Studierfähigkeit führen soll.