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Diskussionsabend „Mehr Dialog wagen“:Interreligiöser Dialog stärkt Gesellschaft und Demokratie in Nordrhein-Westfalen

Ein Foto zeigt sechs Personen im Gespräch auf einer Bühne.
Datum:
31. Okt. 2025
Von:
Newsdesk/kla
Angesichts wachsender Spannungen gewinnt der Austausch zwischen Religionsgemeinschaften, Politik und Gesellschaft an Bedeutung. Beim Diskussionsabend „Mehr Dialog wagen“ am 28. Oktober wurden Wege aufgezeigt, wie dieser Dialog den Zusammenhalt fördern, das Miteinander schützen und die Demokratie stärken kann.

Wie wichtig und wertvoll das Gespräch zwischen den Religionsgemeinschaften und der Gesellschaft gerade angesichts wachsender Konfrontationen ist, haben Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Kirchen und weiteren Glaubensgemeinschaften bei der Diskussion im nordrhein-westfälischen Landtag deutlich gemacht.

„Besonders in einer Zeit, in der Polarisierung, Antisemitismus und religiös motivierte Ausgrenzung weiter zunehmen, brauchen wir diesen Dialog“, betonte Landtagspräsident André Kuper, der gemeinsam mit den katholischen Bistümern in NRW zu diesem Austausch eingeladen hatte. „Es geht darum, Brücken zu bauen zwischen den Glaubensgemeinschaften, zwischen Politik und Religion für die Menschen in unserem Land. Wer den Dialog sucht, stärkt unsere Demokratie und damit auch das friedliche Zusammenleben in Nordrhein-Westfalen“, so Kuper.

Kulturelle und religiöse Vielfalt

Nordrhein-Westfalen sei durch eine kulturelle und religiöse Vielfalt geprägt, betonte Domkapitular Antonius Hamers, Direktor des katholischen Büros NRW. „Auch in einer zunehmend säkularen Gesellschaft sind religiöse Menschen eine Bereicherung, wenn sie mit anderen Menschen im Dialog sind – mit Menschen anderer Religionen und mit areligiösen Menschen.“

Dies hob auch die katholische Theologie-Professorin Anja Middelbeck-Varwick in ihrem Impulsvortrag hervor: „Interreligiöse Bündnisse und Dialoge sind heute wichtiger denn je. Sie stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie.“ Dies gelte insbesondere für die Kommunen, „wo sich Religionsgemeinschaften inzwischen vielfach gemeinsam in konkreten sozialen Projekten engagieren.“

Zeichen setzen gegen Polarisierung

In der anschließenden Podiumsdiskussion zum aktuellen Stand des Dialogs zwischen Religionen und Gesellschaft unterstrich der Minister und Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski, dass dem interreligiösen Dialog gerade in Zeiten der Polarisierung eine besondere Bedeutung zukomme: „Vorurteile abzubauen, Gemeinsamkeiten im Glauben zu entdecken und Vertrauen aufzubauen – gerade auch im Austausch zu kritischen Fragen“, so Liminski. Dieser Dialog sei in erster Linie Aufgabe der Religionsgemeinschaften, sollte aber ebenso von der Breite der Gesellschaft getragen und im Alltag gelebt werden. „Das ist eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde demokratische Streitkultur.“

SPD-Bildungspolitiker Ott verwies auf weltweite Krisen und Konflikte, die „tief in unsere Gesellschaft hineinwirken. Sie werden in unsere Stadtgesellschaften hineingetragen, ausgetragen, oft instrumentalisiert.“ Umso wichtiger sei es, dass die Politik auf die Achtung des Grundgesetzes bestehe. „Die demokratischen Parteien müssen mit klarer Haltung und Besonnenheit den Frieden in unseren Stadtteilen bewahren helfen. Das erwarten wir auch von allen – wirklich allen! – Religionsgemeinschaften“, betonte Ott.

Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Kölner Synagogen-Gemeinde, hält das Miteinandersprechen als basale und zugleich sehr wichtige Grundform des interreligiösen Dialogs. Als Beispiele für eine gelingende interreligiöse Perspektive nannte Lehrer Projekte wie die Initiative „Weißt du, wer ich bin?“ zur Förderung interreligiöser Projekte und die Denkfabrik „Schalom Aleikum“, die als Einrichtung des Zentralrats der Juden soziopolitisch relevante Themen aus jüdischer, muslimischer und christlicher Perspektive erforscht und vermittelt.

Birgül Karaarslan, Gymnasiallehrerin für Englisch, Deutsch, Türkisch und Islamischen Religionsunterricht berichtete aus ihrer Praxis: „Als muslimische Lehrkräfte erleben wir täglich, wie bereichernd der Austausch über Werte, Traditionen und gemeinsame ethische Grundlagen sein kann – gerade in einer Zeit, in der Polarisierung und Misstrauen zunehmen.“ Wenn junge Menschen lernen, Unterschiede respektvoll zu verstehen und Gemeinsamkeiten zu erkennen, wachse die Grundlage für ein friedliches, solidarisches Miteinander. Der interreligiöse Dialog sei daher nicht nur eine Aufgabe für religiöse Gemeinschaften, sondern ein wesentlicher Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, so Karaarslan.

Zum Hintergrund: Das Dokument „Nostra Aetate“

Vor 60 Jahren bestimmte die katholische Kirche mit dem Dokument „Nostra Aetate“ ein neues Verhältnis zu anderen Religionsgemeinschaften und zur Gesellschaft. Neben den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen stand die Diskussion „Mehr Dialog wagen“ vor einem historischen Hintergrund, der vor allem für das Verhältnis der katholischen Kirche zu anderen Religionsgemeinschaften und zur Gesellschaft maßgebend wurde: Vor 60 Jahren – am 28. Oktober 1965 – veröffentlichte das Zweite Vatikanische Konzil die Erklärung „Nostra Aetate“ („In unserer Zeit“), die ein Verhältnis der Wertschätzung und des Dialogs der katholischen Kirche mit anderen Religionen beschreibt.

Das Konzil anerkennt und würdigt, dass „in allen Religionen Wahres und Heiliges zu finden ist.“ Erstmalig erkennt die katholische Kirche die Heilsmöglichkeit anderer Religionen an und sucht den Austausch mit ihnen. Damit wurde das Dokument die Basis für den interreligiösen Dialog der katholischen Kirche, dem sich die evangelischen Landeskirchen mit eigenen Beschlüssen anschlossen, die den Blick auf andere Religionen ebenfalls wesentlich gewandelt haben.

Anna-Maria Fischer

Drei Fragen an... Anna-Maria Fischer

In Zeiten wachsender gesellschaftlicher Polarisierung wird der interreligiöse Dialog immer wichtiger. Beim Diskussionsabend "Mehr Dialog wagen" im NRW-Landtag sprachen Akteure aus Politik, Kirchen und Glaubensgemeinschaften über Wege, wie der interreligiöse Dialog eine Brücke zwischen den Religionen schlagen und auf diese Weise demokratiefördernd sein kann. Anna-Maria Fischer leitet seit 2017 den Fachbereich Dialog des Erzbistums Köln. Sie selbst studierte Katholische Theologie, Islamwissenschaft und Vergleichende Religionswissenschaft in Bonn, Münster und Jerusalem. Im Interview spricht sie über Chancen und Herausforderungen des Dialogs, dessen Bedeutung für die katholische Kirche – und auch für sie ganz persönlich.

Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie im interreligiösen Dialog für unsere multireligiöse und zunehmend säkularisierte Gesellschaft?

Zum Dialog gibt es meiner Meinung nach keine Alternative. Zentrale Werte in unserer demokratischen Gesellschaft basieren auf dem Dialog und dem Glauben daran, dass es immer Wege zum Dialog und zur Versöhnung gibt. 

Im Dialog mit Menschen anderer Religionen und Konfessionen merken wir, dass wir als religiöse Menschen vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Wir leben gemeinsam in einer Gesellschaft, die sich in religiösen Fragen mehr und mehr indifferent bis ablehnend verhält. Hier erlebe ich gerade den interreligiösen Dialog als Anlass zum Nachdenken. Wenn z.B. verschiedene Religionen angesichts einer Notsituation eine gemeinsame Multireligiöse Feier veranstalten, ist dies ein Zeichen der Hoffnung. Sie zeigen hiermit, dass Menschen sich in ihrer Verschiedenheit als Menschen respektieren können, sogar freundschaftlich miteinander verbunden sein können. Die Religionen sind für viele Menschen Halt, Vorbild und Möglichkeit, mit dem „Darüber hinaus“ in Verbindung zu kommen.

In welcher Weise engagiert sich das Erzbistum Köln für den interreligiösen Dialog und welche Bedeutung hat dieser Dialog für die Kirche?

Die Bedeutung des Dialogs für die Kirche ist nicht zu unterschätzen. Dialog ist der Auftrag der Kirche, denn sie will Einheit und Liebe unter allen Menschen fördern. Im Dialog zeigt die Kirche ihr Wesen und wird glaubwürdig. Sie folgt Jesus nach, bei dem Worte und Taten bis zuletzt authentisch verbunden waren. Papst Leo sagte vergangene Woche anlässlich des Jubiläums der Konzilserklärung Nostra aetate über den interreligiösen Dialog: „Dies ist keine Angelegenheit einer einzelnen Religion, einer Nation oder gar einer Generation. Es ist eine heilige Aufgabe für die gesamte Menschheit – die Hoffnung am Leben zu erhalten, den Dialog am Leben zu erhalten und die Liebe im Herzen der Welt am Leben zu erhalten.“ Menschen außerhalb der Kirche sind oft positiv überrascht, dass es eine Dialog-Fachstelle mit „Blick nach außen“ gibt. 

Unsere Fachstelle im Erzbistum Köln gibt es schon sehr lange. Im letzten Jahr haben wir unser 50-jähriges Jubiläum gefeiert. Zu Beginn hatte unsere Arbeit einen sehr basisorientierten Schwerpunkt. Kardinal Höffner hatte die Stelle mit dem Ziel gegründet, den Menschen, die aus muslimischen Ländern im Zuge der Arbeitsmigration nach Deutschland kamen, ganz praktisch zu helfen, durch Sozial- und Integrationsberatung. Er wollte ihnen eine menschenfreundliche, zugewandte Kirche zeigen. 

Im Laufe der Zeit hat sich die Arbeit weiterentwickelt hin zu einer Fachstelle für interreligiösen Dialog. Wir bieten Fortbildungen, Beratung und Informationen zu anderen Religionen, Konfessionen und Weltanschauungen an. Unser Ziel ist die Unterstützung von Multiplikator/innen in ganz unterschiedlichen Arbeitsfeldern wie Kindergarten, Schule, Jugend, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende in Caritas und Gemeinde. Seit 2016 bieten wir in Kooperation mit der KatHo einen dreijährigen Masterstudiengang „Interreligiöse Dialogkompetenz“ an. Die Basis für unsere Arbeit sind die guten Kontakte zu Partner/innen im Dialog und die Zusammenarbeit mit ihnen in konkreten Projekten wie der jährlichen interreligiösen Konferenz.

Was hat Sie persönlich dazu bewegt, sich für den interreligiösen Dialog einzusetzen, und welche Erfahrungen haben Sie dabei besonders geprägt?

Ganz persönlich bin ich seit meiner frühen Kindheit mit anderen Religionen verbunden. Meine Eltern sind beide katholisch und ehrenamtlich stark engagiert gewesen. Meine Mutter hat damals einen Verein für die Unterstützung von Geflüchteten gegründet. Viele dieser Menschen kamen aus muslimisch geprägten Ländern oder aus Bangladesch und Indien. Ich fand besonders ihre Feste und die Art zu beten interessant und meine Eltern haben damals ganz selbstverständlich gesagt: Unsere Familie ist katholisch, aber geh ruhig hin und frag, wenn Du etwas wissen möchtest. Diese Offenheit als Grundhaltung hat mich sehr geprägt. Ich habe im Kontakt mit anderen auch gemerkt, wie ich in meinem eigenen Glauben gestärkt werde. Die Frage nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden (also für mich auch die Frage, warum ich Christin sein möchte) fand ich spannend. Das hat mich motiviert, Theologie, Islamwissenschaft und Vergleichende Religionswissenschaft zu studieren. Dass ich dann einmal in meinem Heimatbistum Köln in der Fachabteilung für interreligiösen Dialog arbeiten würde, war eine glückliche Fügung, bei der Gott sicher auch nicht unbeteiligt war. 

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