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Stellungnahme des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln

Datum:
29. März 2021
Von:
pek210329

Der Betroffenenbeirat hatte auf seiner Sitzung mit Kardinal Woelki und Generalvikar Hofmann am vergangenen Donnerstagabend seine Forderungen zu notwendigen Veränderungen deutlich gemacht und eine Stellungnahme angekündigt, welche heute veröffentlicht wurde. Diese lautet wie folgt: 

Wir sind Betroffene von sexualisierter Gewalt. Auch aus den eigenen Reihen kann uns dies keiner absprechen. Keiner kann uns unser Schicksal und das erlittene Leid wegnehmen.

Am Donnerstag, 18. März 2021, wurde das neue Gutachten der Kanzlei Gercke/Wollschläger veröffentlicht. Gerade wir, die Betroffenen, haben diesen Tag herbeigesehnt und wir sind nicht enttäuscht worden. Das Gutachten erfüllt die gestellte Aufgabe, also nach Aktenlage die von 1975 bis 2018 gemeldeten Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder zu erfassen, rechtlich zu bewerten und die Vertuscher hinter den Tätern zu benennen. Wir haben mittlerweile das Gutachten gelesen und haben am 25. März 2021 in einer Sitzung mit Kardinal Woelki und Generalvikar Hofmann unsere Forderungen zu notwendigen Veränderungen deutlich gemacht. Neben den bereits in der Pressekonferenz am 23. März 2021 von Generalvikar Hofmann dargelegten acht Punkten, die als Sofortmaßnahmen umgesetzt werden sollen, haben wir aus Sicht der Betroffenen dem noch ein paar Punkte hinzugefügt, und zwar:

  1. Opfernachbetreuung
    • persönlich
      Mit der Meldung eines Missbrauchs und dessen Aufnahme durch die Interventionsstelle darf die Opferbetreuung nicht aufhören. Den Betroffenen muss jede nur mögliche Hilfe angeboten werden, seien es Therapien oder andere medizinisch erforderliche Maßnahmen. Auch beim Erstellen dieses Antrags sollte Hilfe angeboten werden. Nicht zuletzt sollte durch Nachfragen erforscht werden, welche sonstigen Leistungen oder Angebote noch nötig sind.
    • Ombudsstelle und juristische Begleitung
      Durch die Schaffung einer Ombudsstelle und einer juristischen Begleitung inklusive Kostenübernahme soll es Betroffenen möglich sein, sich angstfrei zu ihrem Fall zu äußern, denn nicht jeder, der betroffen ist, vertraut der Institution, der der Täter angehört oder angehört hat. Es muss klar und deutlich kommuniziert werden, dass diese Stelle vollkommen unabhängig ist und die einzige Verbindung zum Erzbistum in dem Erhalt des Auftrags besteht als Ombudsstelle zu fungieren. Die Angstbeseitigung bei den Betroffenen steht dabei ganz vorne.

  2. Zentrales Verfahrensregister
    Zumindest für den Zuständigkeitsbereich der Deutschen Bischofskonferenz sollte ein zentrales Verfahrensregister angelegt und permanent weitergeführt werden. Nur so kann vermieden werden, dass im Fall eines Wohnungswechsels eines Täters in ein anderes Bistum dieses nicht über die vorhandenen Vorgänge informiert ist, wie es, unerklärlicherweise, immer wieder vorgekommen ist. Zukunftsziel sollte sogar sein, dass innerhalb der katholischen Weltkirche ein solches Register eingerichtet wird, weil ein Umzug in ein anderes Land oder sogar einen anderen Erdteil heutzutage ja keine Seltenheit mehr ist.

  3. Reformen, unter anderem Kirchenrecht
    • zu Sexualdelikten
      Diese Reformen sollen sich an dem neu geschaffenen Sexualstrafrecht des Bundes orientieren, in dem unter anderem vorgesehen ist, dass der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern gleichgestellt wird mit Mord. Diese sind in nicht allzu großer Zahl zu finden und wenn, dann oft nur unzureichend.
    • Weiteres
      Mit Reförmchen ist es nicht getan, es bedarf einer gründlichen Überarbeitung und einer Sichtweise auf die Kirche in der Welt, die nicht im Elfenbeinturm sitzt und sich die (Kirchen-)Welt schönredet. Sicher ist die Kirche durch die Jahrhunderte immer ein Ruhepol und Zufluchtsort gewesen, und das soll sie auch bleiben, Halt und Stütze für die Menschen. Aber eine Kirche, die nur sich selbst, ihre eigenen Vorstellungen und Vorschriften sieht und nicht das Leben der Menschen allgemein, das ist keine Volkskirche mehr.
      Man muss nicht allen Blödsinn mitmachen, der teilweise gefordert wird, aber man muss die Augen aufmachen für die Wirklichkeit.

Wir hatten als erste Gruppe die Gelegenheit, Einsichtnahme in das WSW-Gutachten zu nehmen. Dieses ist in seiner Sprache emotionaler und „volkstümlicher“ als das Gercke-Gutachten. Aber genau darin liegt der Unterschied und die Krux. Im juristischen Sinn ist Emotionalität kein Kriterium für eine haltbare Aussage. Wie von Herrn Gercke in seiner Rede bei der Präsentation des Gutachtens gesagt, ist sein Gutachten sprachlich eher kühl. Das mag von manchem als zu distanziert gesehen werden, aber diese kühle Sprache ist notwendig, denn Emotionalität hat ja auch den Nachteil oder – je nach Sichtweise – nochmal den Vorteil, dass sie vom eigentlichen Thema ablenkt oder es in anderem Licht erscheinen lässt. Insofern sind wir froh, dass ein neues Gutachten erstellt wurde, welches nicht wegen Rechtsstreitigkeiten gleich wieder kassiert wird.

Unsere Arbeit fängt jetzt erst richtig an, denn das Gercke-Gutachten kann nicht der Schlusspunkt bei der Aufarbeitung sein, sondern es bildet die solide Grundlage für das, was jetzt kommt. Und dabei spielen die Dinge, die ständig eingefordert werden, nämlich Empathie für die Opfer und eine Hinwendung der Kirche zu den Betroffenen eine wesentliche Rolle. Wir werden uns diesen Aufgaben stellen und die Verantwortlichen im Erzbistum kritisch begleiten, damit dies gelingen kann.

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