Zum Inhalt springen

Gebet nach einer Trennung

Gebet nach einer Trennung

Er ist weg, endgültig.
Nach elf Jahren lebenslänglicher Ehe, nach Orgelmusik am Traualtar,
nach Küssen und Kindern, nach Streit und Versöhnung,
zehnmal, hundertmal.
Endgültig weg.
Ich weine nachts, bis ich einschlafe, morgens will ich nicht aufstehen.
Wozu denn.
Dies Gefühl: Alles ist aus, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr.
Ich schreie, und keiner hört es.
Im Wachwerden die Idee: Ich habe es nur geträumt, und dann:
Ach Gott, es ist wahr, wie übersteh' ich den Tag?
Ich quäle mich durch elf Jahre.
Hatte ich nicht vertraut, gearbeitet, gehofft, geliebt?
Hast du, Gott, vergessen, auf uns acht zu geben,
hast du etwa gedacht: Bei denen klappt's schon?
Eben nicht.
Du solltest weiser sein.


Im Herbst die ersten Zweifel:
Misstrauen, Ausreden, Lügen, endlose Diskussionen,
wir reden verschiedene Sprachen,
wir leben in verschiedenen Welten.
Die andere, jünger als ich,
schwarzhaarig, taufrisch...?
Was habe ich falsch gemacht,
was?
Was!
Wo warst du, Gott, um Frieden zu stiften?
Ich verstehe dich nicht.
Eine Ehe kaputt,
zwei Kinder mit Augen voller Fragen - weißt du weiter?
Fass mich an, wenn du mich lieb hast,
wenn wenigstens du mich lieb hast,
hilf mir durch diesen Tag,
an dir taste ich mich entlang.