Weltkirchliches Engagement:Die Pipeline der Macht

Yurimaguas, 4 Uhr morgens: Eine Thermoskanne Kaffee darf nicht fehlen, wenn Lucero Guillén aufbricht. Es ist stockfinster im peruanischen Amazonasgebiet. Vor der Leiterin der „Pastoral de la Tierra“, der Landpastoral im Vikariat Yurimaguas, die sich kirchlicherseits um die Belange der Landbevölkerung kümmert, liegen eineinhalb Tage Bootsfahrt. Am Fluss Morona leben zahlreiche indigene Gemeinschaften buchstäblich auf dem Rohstoff, der die Welt am Laufen hält: Erdöl. Die schwarze klebrige Masse war es, die Lucero Guillén und das stolze Volk der Wampi vor rund zehn Jahren zusammenbrachte.

Das Unglück
2016 brach die Pipeline der staatlichen Erdölgesellschaft Petroperu am oberen Flusslauf. Die schwarze Brühe schwappte in der Nähe der Gemeinde Mayuriaga in eine Lagune und von dort in den Fluss. „Alle Fische waren tot, das Wasser war nicht mehr trinkbar, alles war nur noch schwarz“, erzählt Dorfvorsteher Segundo Sumpa Mayan. „Meine Leute waren aufgebracht und sagten, der Staat tötet uns und vergiftet unsere Kinder. Wir müssen uns wehren.“ Die Stimmung war explosiv, erinnert sich Lucero Guillén. „Die Wampi leben von und in der Natur. Der Wald und der Fluss sind ihre Nahrungsquelle, ihr Wasservorrat und ihre Apotheke.“ Petroperu rührte keinen Finger. Die Gegend sei unbewohnt, das Leck minimal, hieß es in Pressemitteilungen. „Wir wussten, dass das nicht stimmt, und wollten das Gegenteil beweisen“, erzählt Lucero Guillén. Mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser im Gepäck, begleitet von Mitarbeitenden und Journalisten, trat sie damals die beschwerliche Reise zum ersten Mal an.
Die Wut
Der Fluss wird immer enger und kurviger. Das Schnellboot hat Lucero Guillén inzwischen gegen ein kleines Motorboot getauscht, dann gegen einen tuckernden Einbaum. An einer steilen Uferböschung ist die Fahrt unvermittelt zu Ende. Nichts deutet auf eine Siedlung hin. Der Anstieg ist rutschig und führt zu einem kleinen Waldpfad. Bald taucht eine dunkelgraue, an manchen Stellen rostrote Pipeline neben dem Weg auf. Auf einer sandigen Lichtung stehen Holzhütten. Es ist noch früh und still im Dorf. Ganz anders 2016: Die rund 500 Dorfbewohner waren ausgehungert, verzweifelt und wütend. Dorfvorsteher Sumpa Mayan sagte den Journalisten: „Ich will, dass die Welt von der Verschmutzung erfährt. Seit 50 Jahren macht Petroperu in unserem Territorium, was die Firma will. Und wir sind die Leidtragenden.“ Der öffentliche Druck zwang den Staat zum Handeln. Petroperu schickte Säuberungsbrigaden, doch Mayuriaga wollte mehr: Strom, einen Gesundheitsposten und 300.000 Soles, umgerechnet rund 75.000 Euro, als Schadensersatz. Ein runder Tisch wurde einberufen. Die Firma stellte sich quer. Daraufhin eskalierte die Situation: Einige Dorfbewohner umzingelten die Abordnung, andere ketteten sich an den Hubschrauber. Erst als Sumpa Mayan seine Gemeinde zur Räson brachte, durften die Manager abfliegen. Doch die Antwort kam prompt: Gegen ihn und ein Dutzend weitere Dorfbewohner erstattete die Firma Anzeige wegen Entführung.

Der Erfolg
„Schwester Lucero!“, ruft eine kräftige Frauenstimme. Dann tritt eine zierliche indigene Frau aus dem Busch. „Olgita, wie schön dich zu sehen“, erwidert Lucero Guillén. „Der Prozess gegen dich ist eingestellt“, sagt sie. Olga strahlt: „Endlich kann ich wieder in Frieden schlafen.“ Warum die 48-Jährige von der staatlichen Erdölgesellschaft angeklagt worden war, blieb sogar der Staatsanwaltschaft schleierhaft. Auch gegen Sumpa Mayan laufen Prozesse. Er freut sich über die juristische Unterstützung durch die Pastoral. „Lucero ist eine kämpferische Frau, die sich mutig für uns einsetzt. Von ihr habe ich gelernt, mich zu wehren!“
Die Zukunf
Die Landpastoral unterstützte ihn auch beim Antrag für ein staatliches Förderprogramm für Solaranlagen. Deshalb gibt es seit einem Jahr Strom in Mayuriaga. Agrarexperten halfen beim Anlegen von Waldgärten und Familienbrunnen zur Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Denn der Fluss ist nach wie vor von Erdölresten verseucht, aber auch von Schwermetallen wie Quecksilber, das beim illegalen Goldschürfen eingesetzt wird. Die Leiterin der Landpastoral will die Gemeinden selbstbewusster machen, weniger abhängig von Almosen oder einem desinteressierten Staat, der nur Steigbügelhalter für die Ausbeutung der Ressourcen ist. „Wir bringen keine Geschenke, sondern Wissen“, sagt sie. Die Waldgärten sorgen für Essen auf dem Tisch und ein Zusatzeinkommen. Das stärkt auch die Indigenas, hat Lucero Guillén festgestellt. Im Gespräch mit Firmen und Behörden hätten sie nun das Selbstbewusstsein zu sagen: „Das ist mein Territorium, darüber entscheide ich.“ Denn die Wampi wissen um die globale Bedeutung ihres Handelns: „Wir Indigene schützen den Wald, und davon profitiert die ganze Welt.“
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