Prof. Karl-Heinz Menke analysiert im Redemptoris Mater gegenwärtige „Wunden der Kirche“
Die Krise, in der sich die gegenwärtige Kirche befindet, ist offenkundig: Weniger Gläubige, weniger Berufungen, die christliche Identität scheint in Europa und insbesondere in Deutschland immer mehr verloren zu gehen. Doch bei der Suche nach den Ursachen dieser Prozesse gehen die Meinungen weit auseinander: Immer wieder werden eine angeblich veraltete Sexualmoral oder Ungleichverteilung von Macht genannt.
Dass diese Ansichten jedoch häufig zu kurz greifen und das damit auch die gegenwärtigen Versuche, die Krise zu lösen, ins Leere führen, konnten wir bei einem zweiteiligen Vortrag von Prof. Karl-Heinz Menke am 4. und am 18. November im Seminar erfahren. Menke, einer der angesehensten deutschen Dogmatiker, erläuterte vor der mit Hausbewohnern und Gästen überfüllten Seminarsbibliothek, dass das Dilemma, in dem sich die Kirche heute befindet und das man als verschiedene „Wunden“ durchbuchstabieren kann (im Anschluss an die ähnliche Bezeichnung des Theologen Antonio Rosmini-Serbati), hauptsächlich einem Sachverhalt geschuldet ist: Die (mangelnde) Beziehung zu Christus.
Was ist aber in dieser Hinsicht falsch gelaufen? „Letztendlich“, so der ehemalige Lehrstuhlinhaber für Dogmatik und Phil.-Theol. Propädeutik an der Universität Bonn, vor allem eines: Christus werde allzu häufig nur als einfacher Mittler einer Botschaft gesehen, die ohne Verbindung zum historischen Handeln des Jesus von Nazareth stehe. Dann aber lasse sich die Botschaft problemlos von diesem Jesus trennen – und damit die Einzigkeit und Einzigartigkeit ihres Trägers relativieren."
Anders gesagt: Eine solche von der historischen Wirklichkeit des Christusereignisses losgelöste Christologie, die Christus nicht mehr als „Ursakrament“ der Gnade Gottes betrachtet, fühlt sich auch nicht mehr an die Taten Jesu gebunden. „Dies hat“, so erläuterte uns der Dozent, „vielfache Konsequenzen: Sei es das Faktum, dass Jesus nur Männer zu seinen Nachfolgern berufen hat, sei es die Tatsache, dass Christus die Kirche in ihrer bestimmten Verfassung gewollt hat – all dies ist für eine Theologie, die die Sakramentalität Christi nicht versteht, unter neuen zeitlichen und kulturellen Bedingungen irrelevant. Es komme dann nur auf die Botschaft an, die man aus dem Leben Jesu (und anderer Gestalten der Geschichte) herausschälen könne. Das Christentum“, so der Dozent, „sei aber gerade mehr als ein Ethos, eine Moral oder eine Botschaft. Im Christentum sei vielmehr die Wahrheit sei an ein einmaliges Geschichtsereignis gebunden: Jesus von Nazareth. Die Nichtbeachtung dieses Zusammenhangs in der Theologie führe in eine fundamentale Krise – eine Krise, deren Konsequenzen wir heute sehen.“
In einem zweiten Teil brachte uns der Dozent ausschnittsweise einige Symptome dieser Krise nahe: die Forderung eines Frauenpriestertums, die Ablehnung des Zölibats oder die Kritik von „asymmetrischen Machtverhältnissen“ in der Kirche. Darauf aufbauend, kritisierte der Dogmatiker gegenwärtige binnenkirchliche Versuche, solche Forderungen umzusetzen. Denn diese Versuche leugneten letztlich die Sakramentalität Christi und der Kirche.
So war es uns durch die Ausführungen von Menke möglich, einen tiefen theologischen Blick in die gegenwärtigen kirchlichen Herausforderungen zu erhalten und die ereignisreichen Auseinandersetzungen besser einzuordnen.