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Auf dem Weg in eine neue Zeit. Eine Taufgarnitur aus Herz Jesu in Euskirchen

Euskirchen, Herz Jesu - Taufgarnitur; Gesamtansicht
Datum:
31. Okt. 2022
Objekt des Monats – November 2022

Silber, getrieben, graviert, Edelsteine
Kanne: Höhe 27 cm, Breite 11,5 cm
Schale: Durchmesser 38-44 cm
1928, Köln, Institut für religiöse Kunst (sign.); Ausführung: Johann Vorfeld, Kevelaer (sign.)
Euskirchen, Herz Jesu

Wer mit offenen Augen durch Wien oder Darmstadt geht, kann sich den Werken des Art Nouveau oder des Jugendstils kaum entziehen: Filigrane, pflanzliche Dekore, kräftige Farben und eine neue Verbindung von Kunst und Handwerk hatte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Einzug in zahlreiche Bereiche der profanen Kunst gehalten. Die sakrale Kunst blieb – nicht nur im Rheinland – von dieser künstlerischen Strömung weitgehend unerreicht. Zu sehr erfreuten sich die Kleriker und das Kirchenvolk an den historistischen, an das Mittelalter erinnernden Stilen im Kirchenbau und seiner Ausstattung. Doch Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel und eine solche Ausnahme ist die Taufgarnitur aus der Kirche Herz Jesu in Euskirchen. Mit ihr verbinden sich nicht allein Kunstfertigkeit und neue Formen, sondern gleich eine ganze Familiengeschichte. 

Die reich verzierte Taufgarnitur besteht aus einer weiten Schale und einer Kanne in Form eines stehenden Vogels, dessen Krallen auf einem runden, leicht kuppelförmigen Fuß ruhen. Der lange Schwanz des Vogels bildet den Henkel der Kanne; sein Schnabel, der sich durch eine elegante Linie mit den Augen aus dunkelroten Edelsteinen verbindet, dient als Ausguss. Bildreich gestaltet ist die Schale, deren Gestaltung Bezug nimmt auf das Bekenntnis der Taufe. In einem inneren Kreisband ist die Umschrift „Exi ab eo (ea) immunde spiritus, et da locum spiriti sancto paraclito“ (übers.: „Weiche von ihm unreiner Geist! und mache Platz dem Heiligen Geist!“) zu lesen, ein Vers aus dem Taufbekenntnis. Um diesen inneren Ring, in dem die Kanne ihren Platz findet, zeigt sich eine Darstellung der Erde: Wasser und Pflanzen und Tiere des Landes (u.a. Löwen und Kamele), am Himmel die Sonne. Eine verlorene Seele stürzt aus dem Maul eines Ungeheuers, während gegenüber Gottvater und der Hl. Geist die Seele eines Erretteten aus dem Wasser empfangen. 

Kanne und Schale sind an ihrer Unterseite jeweils mit einer Inschrift versehen, die ihre Stifter identifizieren: „Gestiftet von Baptist Eschweiler und Frau Katharina geb. Bergheim sowie ihren Söhnen Willy, Eduard, Jakob in Andenken an ihren im Weltkriege 1914−18 gefallenen Sohne & Bruder Gert. Euskirchen März 1928.“ Die Marke, ein I mit drei Kronen, und die Signatur „JV“ auf der Unterseite der Schale verweisen auf das sogenannte Institut für religiöse Kunst in Köln und den Kevelaerer Goldschmied Johann Vorfeld.

Die Taufgarnitur birgt somit gleich mehrere Geschichten. Da ist zum einen die Geschichte der Familie Eschweiler, die im Ersten Weltkrieg den ältesten Sohn und Bruder verliert. Baptist und Katharina Eschweiler hatten 1883 in der Euskirchener Neustraße „Manufaktur-, Kurz- und Weisswarengeschäft“ eröffnet, Willy und Eduard arbeiten beide im Geschäft der Eltern (das bis 2013 in vierter Generation bestand). Möglicherweise erklärt der Vorname des Vaters (lat. Baptist, übers. „der Täufer“) auch den Grund für die Wahl eines Taufgeschirrs. 

Zweitens ist da die Geschichte des Sohnes und Bruders Jakob, die weit über Euskirchen hinausreicht. Jakob Hubert Eschweiler (1894–1965), der jüngste der vier Brüder, hatte 1914 sein Studium der Theologie und Kunstgeschichte in Bonn begonnen und wurde 1918 zum Priester geweiht. Nach seiner Kaplanszeit absolvierte er ein Praktikum im Schnütgen-Museum bei Fritz Witte, ebenfalls Priester und einer der entscheidenden Wegbereiter moderner Sakralkunst im Rheinland. Im September 1926 wurde Eschweiler offiziell zum ersten Direktor des Kölner Diözesanmuseums ernannt, zudem übergab Witte ihm 1926 die Leitung des von ihm sieben Jahre zuvor gegründeten Instituts für religiöse Kunst, einer Lehr- und Vermittlungsanstalt für Auftraggeber und Künstler, eng verbunden mit der Kölner Kunstgewerbeschule. Ziel des Instituts war die enge Verzahnung von künstlerischen Entwurf und handwerklicher Ausführung im Sinne einer Förderung des Kunsthandwerks weg von den historistischen Stilformen hin zu einer neuen Formensprache für die sakrale Kunst.

Wahrscheinlich vermittelte Jakob Eschweiler den Auftrag für die Taufgarnitur im Andenken an den Bruder selbst an „sein“ Institut, vielleicht entwarf er sie sogar selbst oder übergab die sehr persönliche Aufgabe an einen der Lehrer des Instituts. Ausgeführt wurde die Taufgarnitur von Johann Vorfeld in Kevelaer, der für einige der handwerklichen Arbeiten des Instituts verantwortlich war. 

Jakob Eschweiler verlor 1933 nach der Auflösung des Instituts seine finanzielle Existenzgrundlage und zog sich nach seinem Ausscheiden als Direktor des Museums 1938 ins Privatleben zurück. Er starb 1965 in Mechernich. Die von ihm gegründete Stiftung unterstützt bis heute Künstler in finanzieller Notlage. Auch die 1965 nach Plänen des noch jungen Architekten Theodor Strauss von Eschweiler errichtete Becherkapelle in Mechernich erinnert an die Verstorbenen und Gefallenen der Familie. 

Anna Pawlik

Literatur

Anna Pawlik: Der Wille zur Tat. Die sakrale Kunst in Köln auf dem Weg in die Moderne, in: Colonia Romanica 35, 2021, S. 33-51.

Joachim Plotzek u. a.: 150 Jahre! Köln 2003, S. 16.

KOLUMBA :: Museumsgeschichte :: Jakob Eschweiler (aufgerufen am 11.10.2022).