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Ablassurkunde von 1507

Ablass-Brief als Massenware

"Nur mit Vorsicht darf der apostolische Ablaß gepredigt werden..."

Am 31. Oktober jedes Jahres gedenken besonders evangelische Christen der 95 Thesen des Augustinermönchs und Theologieprofessors Dr. Martinus Luther, die er am Vortag von Allerheiligen des Jahres 1517 für eine akademische Disputation vorlegte. Dabei ist bis heute auch unter Fachleuten nicht zweifelsfrei geklärt, ob Dr. Luther seine Thesen ans ,,Schwarze Brett der Universität", die Türen der Wittenberger Schlosskirche, anschlug oder nur in Briefform dem Erzbischof von Mainz/Magdeburg sowie Freunden zusandte. Sicher ist seine theologische Überzeugung als Prediger und ,,Seelsorger", dass allein im Glauben an Jesus Christus und in der Gnade Gottes den Menschen Erlösung und Heil geschenkt werden.

Wie auch Luther gemäß der kirchlichen Lehre betonte, setzt dieser zehn Jahre zuvor ausgefertigte Ablass-Brief in den Beständen des Historischen Archivs des Erzbistums Köln als notwendiges Bußwerk die Beichte voraus. Unter dem Pontifikat des vorreformatorischen Papstes Julius II. (1503-1513), den Luther später ,,Blutseufzer Julium" genannt hat, wurde er in der besonderen Form einer auf Pergament gedruckten Urkunde damals durchaus als ,,Massenware" ausgefertigt. Er gewährt den Erwerbern das Recht, sich einen Beichtvater frei zu wählen, der sie sogar von schwersten Verbrechen lossprechen kann. In diesem Ablass- oder Beicht-Brief vom 23. November 1507 wird der päpstliche Kaplan Dr. Bomhouwer aus dem Bistum Estland als Kommissar beauftragt für die Diözesen Mainz, Köln und Trier. Die Einkünfte für die vollkommene Tilgung der zeitlichen Sündenstrafen sollten in der Tradition der ,,Kreuzzugssteuern" verwandt werden zur Unterstützung des Krieges gegen Häretiker. Speziell genannt werden die ,,sehr wilden Ruthenen" (Ostslawen im Gebiet von Minsk und Witebsk) und die ,,Häretiker und Schismatiker unter den Tataren". Aus heutiger Sicht ist der ,,Missbrauch" der Ablass-Gelder für kirchenpolitische Zwecke unverkennbar.

Diese gedruckte Pergament-Urkunde ist mit einem roten Indulgenz-Siegel in einer Holzkapsel beglaubigt, das die Päpstliche Tiara mit den gekreuzten Petrus-Schlüsseln zeigt. Das Historische Archiv als ,,Gedächtnis des Erzbistums" bewahrt ein so seltenes vorreformatorisches Exemplar eines ,,Ablaß-Briefes" sicher aufgehängt im Urkundenschrank seiner erweiterten neuen Magazinräume auf und hat ihn zugleich für die interessierte Öffentlichkeit unter ,,Christen am Rhein" im Katalog und digital (www.christen-am-rhein.de) zugänglich gemacht.

Vor dem Hintergrund der sich dann rasant entwickelnden Reformation ist das moderate Anliegen Luthers in seiner 41. These erkennbar: ,,Nur mit Vorsicht darf der apostolische Ablaß gepredigt werden, damit das Volk nicht fälschlicherweise meint, er sei anderen guten Werken der Liebe vorzuziehen." (Martin Luther, 41. These)

Reimund Haas