Helmut Schmidts Aussöhnungspolitik

Aussöhnungspolitik im Kanzlerbungalow von Helmut Schmidt

Im Februar 1978 trafen sich in Bonn der Kölner Erzbischof und Vorsitzende der Bischofskonferenz, Joseph Kardinal Höffner, und der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. Von diesem markanten Treffen zeugt ein Schreiben im Historischen Archiv des Erzbistums Köln. Die besondere Bedeutung des Dokuments erklärt sich vor dem Hintergrund des schwierigen Verhältnisses zwischen Deutschland und Polen in der Nachkriegszeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten zunächst von tiefen Misstrauen ge-prägt, und die deutschen Regierungen seit 1949 standen vor der großen Herausforderung, die Beziehungen wieder ein Stück weit zu normalisieren und Vertrauen aufzubauen.


Seit den erfolgreichen Gesprächen zwischen Konrad Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle Anfang der 1960er Jahre hatte sich das Verhältnis zu Frankreich begonnen, zu normalisieren. Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag von 1963 war ein Meilenstein von europäischer Dimension.


Es blieb lange ein Postulat deutscher Politik, nun auch das Verhältnis zu den Nachbarvölkern im Osten zu normalisieren. Erst die sozial-liberalen Regierung Brandt/Scheel konnte durch den Abschluss der sogenannten Ost-Verträge (1970) die Bedrohungsängste zu den östlichen Nachbarn abbauen. Gleichwohl blieb deren Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland in vielerlei Hinsicht gespannt, ebenso wie in Deutschland diejenigen sich mit der Aussöhnung schwer taten, die ihre Heimat verloren hatten. Als der Aussöhnungsprozess mit Polen aber ab 1976 stagnierte, andererseits die polnische Staatsmacht um eine Verbesserung ihrer Beziehungen zur katholischen Kirche bemüht war, suchte die Regierung Schmidt auch im Interesse einer Fortsetzung der Annährung zu Polen einen engeren Kontakt zur katholischen Kirche.


Bei seinem Besuch in Polen (21.-25. November 1977) traf Bundeskanzler Helmut Schmidt auch mit dem Primas von Polen, Stefan Kardinal Wyszyński, zusammen. Offenbar um diesen einmal aufgenommenen Kontaktfaden weiterzuspinnen, lud der Bundeskanzler mit Schreiben vom 24. Januar 1978 Kardinal Höffner „zu einem Gedankenaustausch mit Mitgliedern der Bundesregierung“ ein. In der Tat besaß der Kölner Erzbischof zu verschiedenen Vertretern des polnischen Episkopats, nicht zuletzt zu dem Erzbischof von Krakau, Karol Kardinal Wojtyła, ein ausgesprochen gutes Verhältnis. Niemand aus der am 20. Februar 1978 im Bungalow des Bundeskanzlers versammelten Runde konnte ahnen, dass ein gutes halbes Jahr später Karol Wojtyła zum Papst gewählt werden würde und damit die Gespräche eine völlig andere Qualität bekommen würden. In der Amtszeit von Papst Johannes Paul II. vollzogen sich bekanntlich tief greifende Veränderungen im Ost-West-Verhältnis, zu denen er in nicht geringem Maße beitrug.

 

Stefan Plettendorff