Sehr geehrte Damen und Herren,
wir freuen uns, Sie alle am Tag der katholischen Schulen in Freier Trägerschaft zur Pädagogischen Woche begrüßen zu dürfen, die wir wie auch in den letzten Jahren in Kooperation mit dem IFL anbieten. Wir freuen uns auch über die Zahl von knapp 150 Anmeldungen, die das außerordentlich hohe Interesse an der Veranstaltung anzeigt.
Ich begrüße die Leiter der Arbeitskreise, die sich an den Vormittag anschließen. Ganz besonders begrüße ich den heutigen Referenten, Herrn Pfarrer Meurer. Schon jetzt darf ich sagen, dass sich viele auf Ihren Beitrag freuen!
Und ich begrüße unsere neue Leiterin der Hauptabteilung Schule/Hochschule. Obwohl: rund 100 Tagen seit ihrem Dienstantritt in Köln ist sie nicht mehr so ganz neu hier. Frau Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke: seien Sie sowie alle anderen herzlich willkommen!
Das Thema der diesjährigen Pädagogischen Woche lautet: „An die Ränder gehen“ – Aufbrechen zur Mitte. Wir greifen damit nicht nur ein Thema von Papst Franziskus und Kardinal Woelki auf. Sondern wir sind – und das war zur Zeit der Festlegung auf das Thema noch nicht abzusehen – zufällig damit auch im Kern der bildungspolitischen Diskussion.
Aber was ist das für ein Thema? Enthält es nicht lauter Widersprüche oder Ungereimtheiten? Soll der Rand gleichzeitig die Mitte sein? Wo ist denn der Rand oder wo sind die Ränder? Wo ist die Mitte? Ist die Mitte immer da, wo ich bin? Wenn nicht, wo soll sie sonst sein? Erdkundelehrer wissen vielleicht: unsere Landkarte hat in der Mitte immer Europa, während die Landkarten in japanischen Schulen ganz anderes aussehen: hier ist Europa am Rand.
Man kann den Eindruck haben, dass der nächste Landtagswahlkampf, sofern er wieder vorrangig bildungspolitische Themen aufgreift, zwei Schlagworte prägt, die alle anderen Fragen dahinter verblassen lassen. - Ich meine natürlich die Begriffe „Inklusion“ und „Flüchtlinge“.
Und die sind natürlich pädagogisch auch zentral. Schon immer versuchen wir, soweit es geht, Kinder und Jugendliche mit Einschränkungen oder besonderem Förderbedarf in unseren Schulen, auch den allgemeinbildenden, aufzunehmen und zu fördern. Und auch Flüchtlingskindern und ihren Familien wollen wir, auch hier soweit es geht, helfen, wollen Betreuungsangebote machen, Deutschunterricht ermöglichen, Plätze in unseren Schulen anbieten usw. Einen ersten Eindruck können wir uns nachher konkret verschaffen in unserem Markt der Möglichkeiten, zu dem wir die Schulen eingeladen haben, ihre Angebote vorzustellen.
Aber alle an der Schule Tätigen wissen auch: es wäre nicht gut, unüberlegte Aktionen umzusetzen, die den Beteiligten – und leider vor allem den Schwächeren – eher schaden würden. Beispiele von Kindern mit besonderem Förderbedarf, die gegen den Willen der Schule und einzig aufgrund des bloßen Willens der Eltern in einer allgemeinbildenden Schule aufgenommen werden und alsbald scheitern, erweisen dem sinnvollen Anliegen dann leider einen Bärendienst.
Und den Schulen jetzt pauschal die Zuständigkeit für die Flüchtlinge zuzuschreiben, ohne ein zureichendes Konzept zu haben, würde oder wird vermutlich die Probleme eher noch verschärfen. Der beginnende Streit um die Unterbringung in den Sporthallen der Schulen, die mittel- oder sogar langfristig den ansonsten wegen der zunehmenden Bewegungsunfähigkeit vieler Kinder eindringlich geforderten Sportunterricht nicht mehr ermöglichen würde, ist hier vermutlich nur der Anfang.
Nicht nur pädagogisch sind die Begriffe „Inklusion“ und „Flüchtlinge“ bei allem Einsatz problematisch. Auch begiffslogisch gibt es den einen oder anderen Fallstrick: wer sagt denn, dass eine umfassende Inklusion denkbar ist, dass es denkbar ist, dass jeder an allem umfassend teilhaben soll und kann, wie eine populäre Definition vorschlägt. Wer sagt, dass jeder in jedem Verein Mitglied sein können soll?
Und wenn Flüchtlinge Asylbewerber sind: kann die Inklusion hier auch dann sinnvoll gefordert oder gefördert werden, wenn der Asylbewerber als solcher rechtstaatlich abgelehnt ist?
Und weiter: wenn von der Integration von Flüchtlingen die Rede ist, sogar von einer Integrationskultur, wenn gleichzeitig „Integration“ als Gegenbegriff von „Inklusion“ verstanden wird, und wenn Integration in diesem Zusammenhang als das zu überwindende Konzept verstanden wird – dann sind hier die Begriffe nun wirklich ziemlich ungeklärt.
Wie es scheint, stehen die Schulen und die Gesellschaft vor größeren Veränderungen und wir vor offenen Fragen. Bisher treten die Flüchtlinge vorrangig medial in Erscheinung. Erst später kommen sie wirklich bei uns an und nicht nur in den Aufnahmelagern. In den Schulen, in der Nachbarschaft, in der Arbeitswelt. Dass wir uns verändern, scheint also wahrscheinlich; wie wir uns verändern, wissen wir aber noch nicht.
Welche Vorurteile bestätigen sich und welche müssen wir korrigieren? Was wissen wir also von der Lebenswelt der Flüchtlinge wirklich? Kennen wir die Erwartungen der Flüchtlinge wirklich?
Wenn wir Antworten auf diese Fragen suchen, müssen wir uns überlegen, wohin wir schauen wollen oder können, um diese Antworten zu finden. Gestern abend zur Eröffnung haben wir gehört, daß es zentral ist zu fragen, aus welcher Haltung heraus wir die Fragen formulieren und Antworten versuchen. Nur wenn wir diese Haltung reflektieren, wird es uns gelingen, Lösungen zu finden. Und hier kommen die großen, aber auch schon etwas älteren Fragen wieder ins Spiel: wer bin ich denn? Wo komme ich her? Wo bleibe ich?
Die Ministerin Andrea Nahles hat gestern in ihrem Eröffnungsvortrag in diesem Zusammenhang eine ausdrücklich religiös motivierte Aufforderung ins Spiel gebracht: „Mach es wie Gott – werde Mensch!“
Auch hier finden sich dieselben Widersprüche wie eben. „Gott“ und „Mensch“ sind dem Wesen nach das größte denkbare Gegensatzpaar. Und doch ist Gott Mensch geworden.
Als Pädagogen wissen wir:
Um diese Fragen zu verstehen, brauchen wir einen emphatischen Begriff von „Bildung“, streben wir an, umfassend gebildet zu sein.
Ich breche das hier ab und gebe Ihnen diese Fragen mit auf den Weg des heutigen Tages, vielleicht auch auf den Weg in Ihre Schule.
Jetzt der Werbeblock: im Foyer finden Sie die Ausstellung, die diesmal vom Gymnasium Ursulinenschule in Hersel kommt – wenn Sie nachher also auf dem Markt der Möglichkeiten oder auf dem Weg in die Arbeitskreise Zeit und Lust haben: schauen Sie sich die Bilder an!
Ich wünsche Ihnen einen inspirierenden Tag!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!