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Podiumsdiskussion der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn:Was "Amoris laetitia" nicht verändert - oder doch?

Podiumsdisussion an der Universiät Bonn
Datum:
6. Mai 2016
Von:
HA Medien und Kommunikation/Je
Podiumsdiskussion der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn
 

Was hat sich für wiederverheiratet Geschiedene mit dem nachsynodale Schreiben „Amoris laetitia“ (AL) von Papst Franziskus wirklich verändert? Dieser Frage ging die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn am 4. Mai in einer „Aktuellen Stunde“ nach. Der Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen stellt in Amoris laetita ein wichtiges Thema dar, aber nicht das einzige Thema.

Im spannend besetzten Podium ordneten die Diskutanten die Veränderungen je aus ihrem fachlichen Blickwinkel ein. Es diskutierten:

  • Privatdozent Dr. Holger Dörnemann, Leiter des Referats Ehe, Familie und Glaubensvermittlung im Erzbistum Köln
  • Prof. DDr. Norbert Lüdecke, Kirchenrechtliches Seminar, Universität Bonn
  • Prof. DDr. Jochen Sautermeister, Moraltheologisches Seminar, Universität Bonn
  • Prof. Dr. Gisela Muschiol (Moderation), Institut für Kirchengeschichte, Universität Bonn

„Der Papst ändert keine einzige Lehre, und doch ändert er alles.“

Wie ein roter Faden durchzog das Zitat von Walter Kardinal Kasper die Diskussion: „Der Papst ändert keine einzige Lehre, und doch ändert er alles.“ Die Darstellung der verschiedenen Fachperspektiven verdeutlichte was Kardinal Kasper damit meint.

 

Religionspädagogisch: Eine göttliche Pädagogik der Gnade

Im einleitenden Statement erklärte Dr. Holger Dörnemann die „göttliche Pädagogik der Gnade“. Diese Gnade in Form der göttlichen Barmherzigkeit hebe Papst Franziskus in diesem Schreiben (vgl. AL 297) und allgemein in seinem Pontifikat immer wieder deutlich hervor. Mit diesem Ansatz verändere der Papst den Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen unverkennbar, da er wertschätzend die individuellen Biographien in den Blick nähme (vgl. AL 296).

 

Einen deutlichen Unterschied zur bisherigen Lehre der Kirche sieht Dörnemann darin, dass Papst Franziskus eine generelle gesetzliche Regelung durch den Ansatz an der Biographie der Einzelnen nicht für sinnvoll erachte. (AL 300).

 

Moraltheologisch: Weiterentwicklung statt Revolution

Prof. DDr. Jochen Sautermeister ordnet den Text im Kontext des synodalen Prozesses ein. So hob er hervor: „Der Text ist so gehalten, dass er möglichst keine Sieger und Besiegte hervorrufen möchte“, und bezog sich damit auf die sichtbar gewordenen Spannungen innerhalb der Synode. Daher seien nach Sautermeister besonders die Unter- und Zwischentöne wichtig.

 

Sautermeister hob hervor, dass die individuellen Lebenssituationen pastoral und theologisch aufgewertet würden. Dies gelte auch für den Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen, die nicht mit „Felsblöcken der Moral“ beworfen werden dürften.

 

Die Moraltheologie sei bereits seit dem 2. Vatikanischen Konzil personal ausgerichtet. Diesen Weg gehe Amoris laetita nun konsequent weiter. Folglich gehe es Papst Franziskus um einen Weg der Integration und nicht der Ausgrenzung.

 

Die Bedeutung des Gewissens der Menschen zu stärken, ohne das Ideal der Unauflöslichkeit der Ehe in Frag zu stellen, sieht Sautermeister als Kernelement des Dokuments. Als Kernaufgabe der Kirche stehe so die Gewissenbildung im Mittelpunkt. Dies müsse sich nun in der Aus- und Weiterbildung der pastoralen Mitarbeiter widerspiegeln.

 

Eine Revolution sieht Sautermeister nicht, sondern betrachtet das nachsynodale Schreiben als Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre. Papst Franziskus übe damit auch eine Selbstkritik an der bisherigen kirchlichen Praxis (vgl. AL 36). Als offene Frage sieht Sautermeister, welche institutionellen Konsequenzen nun folgen müssten.

 

Kirchenrechtlich: Barmherzigkeit nach Zufallsprinzip?

Prof. DDr. Norbert Lüdecke ordnete Amoris Laetitia in den aktuell bestehenden Rechtskontext ein. Besonders Papst Johannes Paul II. hatte sich intensiv mit der Frage nach der Unauflöslichkeit der Ehe beschäftigt. So bekräftigte dieser noch im Jahr 2000 zum Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen: „Keine kirchliche Autorität könne in irgendeinem Fall von der Pflicht des Kommunionspenders dispensieren, die Kommunion zu verweigern.“ Lehramtlich stellte Johannes Paul II. im selben Jahr fest, dass nicht einmal ein Papst die vollzogene sakramentale Ehe auflösen könne. Rechtlich gesehen sei nämlich eheliche Treue nicht nur ein Ideal, sondern ein Erfüllungsgebot.

 

Papst Franziskus sage nun, dass er weder Lehre noch Recht ändern wolle, aber einige Aspekte der Lehre unterschiedlich interpretiert werden können und inkulturiert werden müssten. Franziskus spreche überwiegend vom „Ideal der unauflöslichen Ehe“ und der individuellen Gewissens-Entscheidung.

 

Lüdecke stellt daher kirchenrechtlich die Frage, ob Lehre und Recht tatsächlich unangetastet bleiben sollen. In diesem ginge es nur um Stilfragen zu besseren Vermittlung der bisher schon bestehenden Möglichkeiten, quasi um „Barmherzigkeit als Rhetorik“. Wenn das Ziel aber echte Änderungen im Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen sein sollten, dann funktioniere dies nicht ohne Lehränderungen.

 

Ohne eine rechtlich verbindliche Regelung sieht Lüdecke „Barmherzigkeit nur nach dem Zufallsprinzip“, je nach dem, mit welchem Seelsorger man spreche. Schon jetzt gehe nämlich die Position der 27 deutschen Bischöfe deutlich auseinander. Folglich wünscht sich Lüdecke von den Bischöfen nun klare Richtlinien im pastoralen Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen und erwartet die Reaktion der päpstlichen Glaubenskongregation darauf.

 

Angeregte Diskussion

In der anschließenden Diskussionsrunde brachten sich Professoren, Studierende und Verantwortliche der Priesterausbildung engagiert ein. Als hermeneutischen Schlüssel des nachsynodalen Schreibens analysierte Sautermeister den Blick auf die eigene, individuelle Lebenspraxis.

 

Im Sinne einer liturgischen Weiterentwicklung sieht Dörnemann zum Beispiel Möglichkeiten für eine nicht-sakramantale Segnung von Freundschaften oder Paaren, die an die Erfahrungen der Valentinstage anknüpft.

 

Auf die Frage nach der lehramtlichen Qualität ordnet Lüdecke das Schreiben ein: Papst Franziskus übt sein ordentliches Lehramt in einem Überzeugungsmodus aus, indem er die Weltkirche sammelt und einlädt. Es handelt sich nicht um ein Mahnschreiben. Ob das Schreiben gelungen sei, bezweifelt Lüdecke, weil es nur in Andeutungen stecken bliebe.

 

Zusammenfassend sieht Sautermeister, dass die Deutung des Schreibens sich ändere, je nachdem von welchem Standpunkt man es betrachte. Oder anders ausgedrückt: "Der Papst ändert keine einzige Lehre, und doch ändert er alles."

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