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Aggression

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Jungen-Typisches in der Katechese berücksichtigen:

Jungen haben höhere Aggression als Mädchen.

Autor: Burkhard R. Knipping

Was zur Geschlechtstypik "Aggression" beachtet werden kann

Das Stichwort „Aggression“ beinhaltet viele Gesichtspunkte

  • Körpereinsatz bis Gewalttätigkeit
  • verbale Stärke bis Dominieren/verbales ’Fertigmachen’
  • Konkurrenz (sog. Kompetitivität) bis Hierarchisierung

„Kinder – und zwar alle – sind von Natur aus kompetitiv, so wie sie auch von Natur aus schlagen und treten, bis man es ihnen abgewöhnt.“ So die Neurobiologin Lise Eliot.

 

Dann aber – bedingt durch soziales Lernen – verändert es sich:
„Geschlechterdifferenzen bei Aggression zeigen sich bereits im Alter von zwei Jahren.“ Erneut Lise Eliot.
Entsprechend gilt laut Eliot: „Die Aggression sorgt für einen der größten und verlässlichsten Unterschiede zwischen den Geschlechtern.“
Aber: „Insgesamt – unter Berücksichtigung der körperlichen und der sprachlichen Aggressionsformen – ist die Geschlechterdifferenz gering … Der Unterschied ist allerdings viel größer, wenn wir nur die körperliche Aggression berücksichtigen“, gewichtet Lise Eliot.
Wut haben Jungen und Mädchen bzw. Männer und Frauen in fast gleicher Weise. Jedoch reagieren sie anders: Jungen/Männer werden aggressiv; Mädchen/Frauen unterdrücken, sagt die Forscherin (!) Lise Eliot.

 

Bei Jungen taucht körperliche und/oder verbale Aggression auf, wenn sie mit anderen Jungen konkurrieren oder wenn Jungen untereinander ihre Hierarchie und ihren Status ausmachen.

 

Bei Mädchen findet sich eine „Beziehungsaggression“: Mit Klatsch und Tratsch, Ausgrenzung, Manipulation anderer etc. wird zugunsten der eigenen Beliebtheit gekämpft. „Da Beziehungsaggression ein verstecktes Verhalten ist, lässt sie sich viel schwerer bekämpfen als körperliche und verbale Aggression.“ So wieder Lise Eliot.

 

Eliots Erklärungsversuch zum Verhalten der Mädchen: Männer haben die Macht und bestimmen die Regeln, und eine der Regeln ist, die Macht den Frauen vorzuenthalten und weibliche Aggression und Selbstbehauptung als unweiblich zu brandmarken. Also agieren die Mädchen und Frauen unterhalb des Radars und im Untergrund.

 

Wichtig: Aggression sinkt bei Männern wieder. Ihr Höhepunkt ist im frühen Erwachsenenalter. Die starke Abschwächung beginnt nach dem 30. Lebensjahr.

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Wie Katechet/-innen auf die höhere Aggression der Jungen reagieren können

Die Aggression ist ein wichtiger Aspekt für die Entscheidung, geschlechtshomogene Katechesegruppen einzurichten.


PRO geschlechtshomogener Gruppe:
Eine geschlechtshomogene Gruppe mindert diese Aggressionspotentiale.
Denn in einer geschlechtergemischten Gruppe prallen aufgrund der Konkurrenz (unter den Jungen wie unter den Mädchen und zudem der Geschlechter untereinander) und der Cliquenbildung (Jungen tendentiell in größeren Gruppen; Mädchen eher in Zweier- oder Dreiergruppen) unterschiedliche Aggressionsstärken und Aggressionsformen aufeinander.


CONTRA Jungengruppe:
In einer Jungen-Gruppe kann für manche Jungen der Konkurrenzdruck zu groß werden, wenn die Gruppenleitung nicht andere Orientierungen ermöglicht.
Mädchen können durch das Zusammensein mit Jungen das direkte Konkurrieren lernen. In einer reinen Mädchengruppe geht dies nicht bzw. kann dort das ‚Intrigieren’ (auch Zicken genannt) zu heftig werden.
Mädchen können durch das Zusammensein mit Jungen merken, dass Konkurrieren wegen vieler Aspekte möglich ist und nicht nur um Aussehen, Mode, Freundschaft, Sozialstatus.

 

Unser Gesichtspunkt ist allerdings die Jungen-Orientierung, und deshalb schlussfolgern wir: Die Jungen-Gruppe bekommt den Vorzug, um als Katechet/-in besser auf Jungen-Aggressionen reagieren zu können.

 

Wenn die Konkurrenz-Situation in der Gruppe nicht ausgelebt, sondern unterdrückt oder umgeleitet wird, können ersatzweise auch nicht in der Gruppe anwesende Menschen zum „Anderen“ / “Schlechten“ / “Fremden“ gemacht werden.

 

Die Konkurrenz und das Ausmachen einer Rangordnung unter den Jungen werden sich nicht vermeiden lassen.
Aber es können andere soziale Orientierungen daneben gestellt werden:

  • Die Gruppe wird als das Team gesehen, und
  • Zweierbeziehungen/Freundschaften in der Gruppe werden positiv geachtet.

Körperliches Ausagieren von Missstimmungen (Verärgerung unter den Jungen) wird es auch geben.
Die Stärke des Ausagierens kann gemindert werden, wenn durch körperliche Aktivitäten ein ‚Ventil’ geboten wird.

 

Aggression ist eine ursprüngliche, positive ‚Antriebskraft’: Grenzen übersteigen, Neues kennenlernen, etwas riskieren. Diese Antriebskraft kann abgerufen werden.

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Welches methodische Vorgehen kann hilfreich sein?

Die Grundüberlegung eines Katecheten / einer Katechetin sollte sein: „Wie kann ich dem Konkurrenzverhalten eine Alternative durch Kooperieren und Zusammenarbeit und Partnerschaftlichkeit gegenüber stellen?“

 

Die Sozialform des Arbeitens ist zu variieren:

  • Arbeit in der Gesamtgruppe führt zu Teamwork und dann zu einem Teamgeist, der das Konkurrieren zumindest in Momenten abschwächt (vgl. Mannschaftssportarten).
  • Arbeit mit einem Partner mindert die Abwertung vermeintlich Schwächerer; denn in einer Zweier-/ oder Dreierkonstellation sorgt der Findigere dafür, dass der Andere und er selbst gut dastehen im Abgleich mit den anderen Jungen-Paaren.
    Zudem wird so partnerschaftliches Arbeiten gefördert.
  • Werden die Partner der Zweierteams regelmäßig gewechselt, wird innerhalb der Gesamtgruppe undeutlicher, wer besonders findig und wer eher zurückhaltend ist. Zumindest werden bestehende Differenzierungen nicht weiter verfestigt.

Durch eine an inhaltlicher Arbeit orientierte Rangordnung werden die obligatorischen Rankings aufgrund von Körperkraft und Mundwerk relativiert. Möglich ist das inhaltliche oder thematische Hierarchisieren, indem die Jungen bei Aufgaben kleine Wettbewerbe machen.

 

Die Wettbewerbsaufgaben machen den Jungen die Aufgabenstellungen interessanter; die Wettbewerbe stacheln die Jungen an und führen bei ihnen zu mehr Leistungsbereitschaft. Wettbewerb kann entstehen durch dem Abgleich nach Zeit, Mengen, Intensität/Ausführlichkeit ...
Gut ist es, wenn die Jungen in den Wettbewerben sich selbst überbieten können (Vergleich eigener Leistung): „Hast Du heute Deinen Level vom letzten Mal getopt?“ / „Wie schätzt Du Deine heutige ‚Arbeit’ (Deine Zeichnung, Deine Meinung, Deine Bereitschaft ...) im Vergleich zu Deiner vorigen ‚Arbeit’ ein?“

 

Die Aggressivität kann gemindert werden und zugleich inhaltlich genutzt werden durch Aktionen mit Lerninhalt (Laufspiele).

 

Die Antriebskraft der Jungen kann abgerufen werden, indem sie in der Katechese-Einheit ungewohnte und fordernde Aufgaben bekommen, für die sie sich selbst überwinden müssen: In der Nachbarwohnung / im Nachbarhaus die Bewohner interviewen zu einem Thema; etwas (eine Aufgabe, ein Material, ein Bild …) vorbereiten für alle Jungen in der Katechese-Einheit; mit der Katechese-Gruppe gemeinsam kochen ...
Auch das Aufsuchen von Orten, die den Jungen ungeläufig sind, kann die Jungen positiv herausfordern: ein Besuch im Altenheim etc.

 

Die Möglichkeit, während der Katechese-Einheit seinen Standort wechseln zu können, ermöglicht dem einen oder anderen Jungen, sich von aggressiv agierenden Jungen zu entfernen.
Ein Standort-Wechsel kann das Wechseln auf einen anderen Stuhl, in eine andere Zimmerecke, ein Toilettenbesuch ... sein. Auch soziale Aufgaben (z.B. Getränke für alle holen und einschenken) sind eine Chance von anderen Jungen kurzfristig zu lösen.

 

Es gibt ein Set von „Vertrauensübungen“, das die Jungen von Machtkämpfen und Gegeneinander zu einem Miteinander und Füreinander einlädt. Ein Beispiel: Ein Junge lässt sich von einem erhöhten Standpunkt mit geschlossenen Augen rückwärts fallen und wird von seinen Kollegen aufgefangen.
Wichtig: Auf Sicherheit ist hierbei zu achten!!!

 

Wenn Jungen sich mit ‚Prügel-Kissen’ (Stangen aus ganz weichem Schaumstoff) nach vorgegebenen Regeln hauen dürfen, verpufft die Aggression oftmals; sie weicht einem gemeinsamen Spaß, und die Jungen agieren sich körperlich aus.
(Zitat aus einem Männer-Seminar: „Ich hätte nie gedacht, dass einander zu verprügeln so zusammenschweißt.“ So ein junger Erwachsener nach einem 1,5-minütigen Boxkampf gegen einen gleichaltrigen Kollegen.)


Die Katechese kann den Jungen Erlebnisse bzw. Erfahrungen ermöglichen, wie sie ihre Antriebskraft ‚Aggression‘ menschlich und sozial sinnvoll sowie zugunsten ihrer Kreativität einsetzen können.


Als Impuls:
Jungen sind kämpferisch wie Saulus.
Es geht darum, sie zu unterstützen, dass sie zu einem Paulus werden können!

 


 

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Dr. Burkhard R. Knipping

Referent