Ärztlich assistierter Suizid

Ärztlich assistierter Suizid

Gegenwärtig spitzt sich die Diskussion zu auf das Thema, ob Ärzte bei sterbewilligen Patienten den Suizidwunsch nachkommen dürfen oder ob sie sogar dazu verpflichtet seien. Ärzte verfügten aufgrund ihrer medizinischen Kompetenz über Kenntnisse und Fähigkeiten, Patienten bei der Suizidplanung zu beraten und so zu langes Leiden zu verhindern. Außerdem könnten nur Ärzte durch ihre Verschreibungshoheit suizidwilligen Patienten den Zugang zu verschreibungspflichtigen Präparaten ermöglichen.

Ärzte unterstehen aber einer Berufsethik, die sie verpflichtet, das Leben als besonderen Wert zu schützen. Die Bundesärztekammer formulierte in ihren Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung (Vgl. Deutsches Ärzteblatt 2011, A346) unmissverständlich, dass die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung keine ärztliche Aufgabe ist. Diese Position ist unter Ärzten zwar noch mehrheitsfähig, aber nicht mehr unumstritten.

Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) (Vgl. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin zum assistierten Suizid, S.13) sieht Ärzte eindeutig in der Pflicht, das Leben von Patienten zu schützen. Dieser Grundwert unserer Gesellschaft stehe über der Selbstbestimmung des Suizidwilligens. So sind Ärzte, die bei einem Suizid assistieren, aufgrund der ärztlichen Garantenpflicht verpflichtet, das Leben des Menschen, dem sie eine tödliche Dosis eines Medikamentes zugänglich gemacht haben, zu retten, sobald dieser das Bewusstsein verliert.

Die DGP stellt klar, es gehöre nicht zum Grundverständnis der Palliativmedizin, Beihilfe zum Suizid zu leisten oder bei der gezielten Durchführung eines Suizids zu beraten. (Vgl. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin zum assistierten Suizid, S.13) Dabei zähle es aber „unbedingt zu den ärztlichen Aufgaben, sich respektvoll mit Todeswünschen von Patienten – wie auch Suizidwünschen im engeren Sinne – auseinanderzusetzen. Hierzu gehört in erster Linie, mit den betroffenen Patienten, deren Angehörigen und dem eingebundenen Team die palliativmedizinischen Optionen zur Linderung von Leid zu erörtern und zu versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden.“ (Vgl. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin zum assistierten Suizid, S.13) Die gesellschaftliche Diskussion wird gut in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates zusammengefasst (Nationaler Ethikrat, S.84 -88):
 
Contra
 
Zum ärztlichen Auftrag gehört es, schwere körperliche und psychische Leidenszustände mit allen zulässigen Mitteln zu bekämpfen. Mittel bereitzustellen, die den Suizid ermöglichen oder gar direkte Beteiligung am Suizid gehören nicht dazu,
denn
  • Ärzte könnten von ihren Patienten unter Druck gesetzt werden, solches zu tun.
  • die Schwelle für die Patienten, um Suizidhilfe zu bitten, könne sinken, wenn ein Arzt assistiert.
  • die zweifelsfreie Unterscheidung zwischen einem frei verantworteten Wunsch nach Suizid und einer depressiven Erkrankung oder eine vorübergehende Krise als Auslöser ist nur schwer möglich.
  • es bestehe große Gefahr, dass festgesetzte Regeln für eine Mitwirkung von Ärzten am Suizid letztlich in der Praxis nicht kontrolliert werden können und sich der Missbrauch ausweitet.

 

Pro

Die Gruppe, die dafür plädiert, die ärztliche Beihilfe zum Suizid berufsrechtlich unter bestimmten Bedingungen zuzulassen (unerträgliches und unheilbares Leiden des Patienten, Entscheidungsfähigkeit des Patienten, sein – nach Beratung und ausreichender Bedenkzeit – Wunsch zu sterben) argumentiert, die ärztliche Pflicht zur Achtung der Selbstbestimmung des Patienten und das Handeln zu seinem Wohl haben das größte Gewicht. Das könne auch bedeuten, diesem Wohl bei schwerer Krankheit und einem verzweifelten Patienten durch Suizidbeihilfe zu entsprechen. Grundsätzlich wird auch von den Befürwortern keine Verpflichtung zur Gewährung von Suizidbeihilfe eingefordert.

Die Wirkung auf das Verhältnis zwischen Arzt und Patient wird folgendermaßen beschrieben:

  • Das Vertrauen des Patienten in seinen Arzt werde bestärkt, wenn der Patient wisse, dass sein Arzt auch in dieser Situation für ihn da ist.
  • Die Beurteilung der Entscheidungsfähigkeit eines Patienten stelle kein Problem dar, da sie alltägliche Aufgabe der Ärzte sei.
  • Die Zulassung ärztlicher Suizidbeihilfe habe auch in anderen Ländern nicht dazu geführt, dass die Anzahl derer, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, enorm gestiegen sei. Vielmehr deute einiges darauf hin, dass die Gewissheit, auf ärztliche Hilfe zählen zu können, diesen Patienten Kraft gebe, ihr Leiden zu ertragen. (Jox, S. 180ff.: Der Autor berichtet von in Oregon/USA durchgeführten Studien. Dort wurde im Jahr 1997 ein Gesetz erlassen, das den ärztlich assistierten Suizid regelt. Die Erfahrungen zeigen, dass es Kranken durchaus genügt, im Besitz der Rezepte bzw. der tödlichen Medikamente zu sein. Zwischen einem Drittel und der Hälfte aller Patienten, die sich die tödlichen Medikamente haben verschreiben lassen, wenden sie nicht an und versterben infolge ihrer Erkrankung.)

In der Diskussion findet sich inzwischen häufig eine dritte Position:

Auch wenn der Arzt grundsätzlich zum Erhalt des Lebens verpflichtet sei, könne er nach langer Begleitung seines Patienten zu dem Schluss kommen, dass dessen Wunsch nach Suizidbeihilfe „ernstlich bedacht und angesichts seiner individuellen Situation zwar tragisch, aber nachvollziehbar ist“. (Nationaler Ethikrat, S.88) Dies sei eine höchstpersönliche Gewissensentscheidung. Der Arzt übernehme dann persönlich die Verantwortung für die Hilfe beim Suizid seines Patienten. Im weiteren Geschehensablauf stehe er nicht mehr in der (Garanten-)Pflicht, sondern begleite seinen Patienten bis zum Eintritt des Todes. Standesethisch sollten derartige Gewissensentscheidungen als tragische Einzelfallentscheidungen gebilligt und auch berufsrechtlich nicht geahndet werden.

Aus der Perspektive der katholischen Kirche gilt hier wie auch schon beim assistieren Suizid: „Nicht Hilfe zum Sterben, sondern Hilfe im Sterben sind wir dem Kranken schuldig.“ („Das Lebensrecht des Menschen und die Euthanasie“, S.16) Der Dienst des Arztes und auch der Pflegenden am Leben („Das Lebensrecht des Menschen und die Euthanasie“, S.16) schließen es folglich aus, dass beide Berufsgruppen Handlungen unternehmen, die den Tod eines Patienten zur Folge haben.