Neue Projekte machen Friedhöfe zu attraktiven Lebensräumen:Friedhöfe im Erzbistum Köln als Orte der Biodiversität
In der Großstadt zu leben ist für viele Menschen attraktiv: Sie genießen es, Teil einer lebendigen Umgebung zu sein, und nutzen das kulturelle Angebot. Gleichzeitig führen der rege Verkehr, die laute Geräuschkulisse und die schlechte Luft dazu, dass weder die menschlichen noch die tierischen Bewohner zur Ruhe kommen können. Friedhöfe stehen dazu im starken Kontrast. Die Orte der Trauer sind auch Orte des Lebens für Pflanzen und Tiere. Nachtaktive Tiere wie Igel und Fledermäuse fühlen sich dort besonders wohl, da Friedhöfe weniger von Lichtverschmutzung betroffen sind als stets beleuchtete Straßen und Plätze. Besonders der alte Baumbestand lädt Vögel zum Nisten ein. Allein in Köln gibt es 55 städtische und sieben konfessionelle Friedhöfe, die teils nah beieinander liegen. Viele Tiere haben deshalb mehrere Reviere.
Neues Interesse an Friedhöfen
Der Blick auf Friedhöfe als Orte der Trauer wandelt sich. Über den Kölner Melaten Friedhof werden mehrfach die Woche Gruppen geführt, die etwas über die Geschichte des Friedhofs erfahren möchten. Gräber berühmter Persönlichkeiten wie Willy Ostermann, Richard Wallraf oder Dirk Bach sind von großen Interesse. Der WDR veröffentlichte 2023 eine Dokumentation über Melaten, in der es auch um den Friedhof als Lebensraum und das Engagement des NABU geht. Auf einigen Friedhöfen gibt es heute Arbeitskreise, die der NABU organisiert.
Biodiversität in Gefahr
Die Bedeutung einer vielfältigen und intakten Flora und Fauna wird auch angesichts des sich verändernden Klimas immer größer. Versiegelte Flächen heizen die Städte auf und können zu Überschwemmungen bei Starkregen führen, da der Boden kein Wasser aufnehmen kann. Allein in Köln sind 29 % des Stadtgebiets versiegelt (Stand 18.11.2024). Um dem entgegenzuwirken, wird sich bemüht, mit kreativen Ideen wie z.B. der Begrünung von Fassaden den öffentlichen Raum herunterzukühlen.
In den Städten gibt es insbesondere für Insekten nicht ausreichend Nahrung. In Gärten und auf Balkonen findet man häufig Pflanzen wie Hortensien, Geranien und Crysanthemen, deren Blüten keine Pollen für Insekten oder Bienen tragen. Auch der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft hat den starken Rückgang von Insekten gefördert. Deutschlandweit lässt sich diese Entwicklung wahrnehmen, in NRW ist die Insektenpopulation seit 1989 um 75 % eingebrochen. Unter dem Rückgang leiden auch Vögel und Kleinsäuger, da Insekten als Nahrung für diese Tiere eine wichtige Rolle im Ökosystem spielen.
Die Thematik der Not der Natur wird immer präsenter und Gartencenter oder Gärtnereien haben bereits ihr Sortiment um insektenfreundliche Pflanzen erweitert. Dank Schilder und Aufklebern sind diese kaum zu übersehen. Auch der NABU Köln bestätigt, dass die Nachfrage nach insektenfreundlichen Pflanzen zugenommen habe. Wer sich hier engagiert, sollte vor allem auf regionales Saatgut achten, denn auch wir Menschen machen ja einen Unterschied zwischen Kölsch und Alt, zwischen Bratwurst und Fischbrötchen.
Biodiversität im Erzbistum
Im Erzbistum Köln gibt es eine Vielzahl an Friedhöfen. Biodiversität ist auch hier ein Thema, wie man am Beispiel des Katholischen Friedhofs Hochstraße in Wuppertal sehen kann.
Bei einem Spaziergang über den Friedhof erzählen Friedhofsgärtner Bernhard Iding und sein Kollege Moussa Benzerga viel über seine Geschichte und die Bepflanzung. Seit knapp 40 Jahren ist Iding einer der Pächter der Friedhofsgärtnerei. Der Friedhof selbst ist lediglich 1,5 Hektar groß, verfügt über 4500 Gräber und liegt, wie der Straßenname verrät, auf einem Hügel. Auf der Hochstraße gibt es noch zwei weitere Friedhöfe, deren Kirchtürme man in der Ferne sieht. Iding arbeitet mit einem internationalen Team zusammen, einige der Arbeitskräfte hat er selbst angelernt. Die Stimmung ist ausgelassen, man freut sich, dass man das eigene Engagement für mehr Biodiversität vorstellen kann.
Offen für Neues
Schon zu Beginn des Gesprächs merkt man deutlich die Leidenschaft, mit der Iding seinem Beruf nachgeht. Er erzählt, wie wichtig es sei immer Neues auszuprobieren, um herauszufinden, welche Pflanzen mit den klimatischen Veränderungen am besten zurechtkämen. Inspiration und Impulse hole er sich aus Fachzeitschriften, im Austausch mit den anliegenden Friedhöfen und über Fachmessen. Auch bringt er sich immer wieder im Dialog mit der Stadt ein, wenn es beispielsweise um die Begrünung der Innenstadt geht.
Bewusst werden auf der Hochstraße verblühte Pflanzen nicht abgeschnitten, um Insekten Unterschlupf zu bieten. Ruhe und Schutz können sie auch in einem Insektenhotel finden. Auf Freiflächen werden heimische Pflanzen gesetzt. Man achtet sehr darauf invasive Arten, die sich schnell verbreiten und für die heimischen Insekten nicht interessant sind, zu entfernen. Die alte Friedhofsmauer ist mit Efeu bewuchert, an dessen Blüten sich bei schönem Wetter die Insekten tummeln.
Alle Pflanzen- und Erdreste werden für den Kompost gesammelt, durch den der gesamte Bedarf an Erde abgedeckt wird. Bereits seit 35 Jahren betreibt der Friedhof den Kompost und gehörte damals zu den Ersten, die ihren Müll nicht einfach entsorgen ließen.
Mehr Nutzfläche durch Urnengräber
Auch in Leverkusen bemüht man sich, die insgesamt sieben Friedhöfe so zu gestalten, dass heimische Pflanzen und Tiere ungestört leben können. Viele Menschen entscheiden sich heute für eine Urnenbestattung, die weniger Platz in Anspruch nimmt, wodurch viel freie Fläche entsteht. Die Stadt Leverkusen überlässt diese Flächen der Spontanvegetation.
Der NABU ist auch in Leverkusen aktiv: Auf sechs der sieben Leverkusener Friedhöfe gibt es Blühwiesen, deren Pflanzen insbesondere Insekten ansprechen. Insgesamt werden Wiesen nun weniger gemäht, um die Wiese als Lebensraum beizubehalten. Einige Besucher und Besucherinnen mussten sich an diese Neuerung, die im ersten Moment wie vernachlässigte Pflege wirkt, gewöhnen. Thomas Bappert, Friedhofsverwalter in Leverkusen, berichtete aber, dass man die Maßnahmen mit Verständnis und Interesse annähme.
Auch mit neuen Beerdigungskonzepten möchte man die Friedhöfe neu gestalten. So gibt es in Leverkusen Schlebusch einen Bestattungsgarten, auf dem es Insektenhotels, Nistmöglichkeiten und Wasserstellen gibt. Die dort angelegten Gräber werden nicht saisonal neu bepflanzt. Man hat sich für Stauden entschieden, die pflegeleicht sind und versetzt über das Jahr hinweg blühen.
Viele Praxistipps und weiterführende Informationen zu den Themen Biodiversität und Schöpfungsverantwortung für Gemeinden bietet auch der Bereich Schöpfungsverantwortung des Erzbistums Köln auf: www.klima-kirche.de
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