Nein, die Darstellung von Dr. Wastl ist falsch. Aus Sicht des Erzbistums Köln bildet die juristische Aufarbeitung den Kernpunkt der Beauftragung. Das ergibt sich auch aus dem Text der Beauftragung:
In Ziffer 1 der Anlage 1 zum Mandatsvertrag vom 13. Dezember 2018 ist der Untersuchungsauftrag eindeutig geregelt: „Die Gutachter sollen Fälle eines möglichen sexuellen Missbrauchs […] dahingehend evaluieren, ob die Vorgehensweise der damaligen Diözesanverantwortlichen im Einklang mit den […] Vorgaben des kirchlichen und des staatlichen Rechts und/oder dem kirchlichen Selbstverständnis stand, bzw. steht; […] Rechtsverstöße und hierfür Verantwortliche möglichst konkret benennen“. Nach Ziffer 2 der Anlage 1 zum Mandatsvertrag wird die Kanzlei einen schriftlichen Bericht zu diesem Untersuchungsgegenstand erstellen.
Das Erzbistum Köln sieht in dieser ausdrücklichen Anlage zum Mandatsvertrag und seit Beginn der Untersuchung die Rechtmäßigkeitskontrolle als wesentliche Hauptleistung an. Das ergibt sich aus der Vertragsgestaltung und wurde durch das Erzbistum in seiner Kommunikation, dass auf Grundlage des Gutachtens individuelle und systemische Konsequenzen gezogen werden sollen, auch dahingehend fortlaufend bestätigt.
Dass zudem auch eine Bewertung von Verstößen gegen das kirchliche Selbstverständnis möglich ist, ändert nichts am Bestand der Kritik durch Prof. Dr. Jahn und Prof. Dr. Dr. h.c. Streng:
Die Gutachter Jahn/Streng bewerten die in der Hauptsache geschuldete juristische Ausarbeitung als mangelhaft. Das Gesamtergebnis lautet wie folgt:
Gesamtergebnis
1. Aus der Vorschrift in § 839a Abs. 1 Satz 1 BGB lassen sich auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum gerichtlichen Sachverständigen Mindeststandards auch für die juristische Begutachtung eines Sachverhalts gewinnen.
2. Ein Gutachten ist im Rechtssinne dann „unrichtig“, wenn es der objektiven Sachlage nicht entspricht, die festgestellten Tatsachen also nicht existieren oder die daraus gezogenen Schlussfolgerungen unhaltbar sind.
3. Das vorgelegte Gutachten der Rechtsanwälte Westpfahl Spilker Wastl „Sexueller Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker und sonstige pastorale Mitarbeitende im Bereich des Erzbistums Köln im Zeitraum 1975 bis 2018. Verantwortlichkeiten, systemische Ursachen, Konsequenzen und Empfehlungen“ vom 1.10.2020 verfehlt die Mindeststandards einer juristischen Begutachtung in mehrfacher Hinsicht, namentlich weil
a) unklar bleibt, aus welcher Grundgesamtheit und nach welchen inhaltlichen Kriterien die Stichprobe der in Teil IX vorgestellten 15 Fälle gezogen wurde,;
b) die Faktensammlung – bei nicht selten schon unklarer rechtlicher und tatsächlicher Faktenbasis – und deren Beurteilung in Teil IX nicht deutlich voneinander getrennt werden,
c) nicht durch formale Qualifikation unterlegte eigene Sachkunde der Rechtsanwälte ex post an die Stelle der Bewertung durch forensische Fachgutachter gesetzt wird,
d) zentrale und häufig verwendete Begriffe für die Zurechnung von Verantwortung wie „Pflichtwidrigkeit“, „mangelnde Opferfürsorge“, „sexueller Missbrauch“ oder „Beschuldigter“ nicht erläutert werden und deshalb ihr Inhalt im Kontext des Teils IX unklar bleibt und
e) die anwaltlichen Gutachter den zu fordernden objektiven Standpunkt einer wissenschaftlichen Begutachtung an zahlreichen Stellen verlassen, so dass ihre Neutralität und innere Unabhängigkeit in Frage steht.
4. Das Gutachten der Rechtsanwälte Westphal Spilker Wastl ist deshalb als Grundlage für die Benennung von Verantwortung durch Tun oder pflichtwidriges Unterlassen nach kirchlichem und staatlichem Strafrecht auf Ebene der Entscheidungsträger des Erzbistums Köln keine taugliche Grundlage.
Sie sehen an dem Gesamtergebnis von Jahn/Streng, dass diese das Gutachten von Westpfahl pp. vordergründig nicht deswegen kritisieren, weil diese eine umfassendere Bewertung vornehmen. Das Gutachten wir durch Jahn/Streng völlig unabhängig davon als mangelhaft und untauglich bewertet, weil die im Schwerpunkt geschuldete juristische Aufbereitung handwerklich mangelhaft und damit untauglich ist.
Selbst wenn man also meint, dass die Kanzlei WSW auch eine Bewertung abgeben sollte, ändert dies nichts an den grundlegenden und durchgehenden handwerklichen Mängeln, die Jahn/Streng aufzeigen. Diese machen das Gutachten unbrauchbar.