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Berufungsverfahren im Eheprozess

Berufung beim förmlichen Eheprozess

 
 

Eine Berufung einlegen


kann jeder von den Beteiligten, wenn er sich beschwert sieht durch ein Urteil, das die Klage zur Feststellung der Eheungültigkeit anerkannt hat oder nicht anerkannt hat:

  • Eine klagende Partei kann Berufung einlegen, wenn ihre Klage nicht anerkannt wurde.

  • Eine nichtklagende Partei kann Berufung einlegen gegen die Anerkennung einer Klage, oder – sei es mit der klagenden Partei, sei es für sich – gegen die Nichtanerkennung.

  • Der/die Ehebandverteidiger/in kann seiner/ihrerseits Berufung einlegen gegen die Anerkennung einer Klage.


Zwei Schritte

sind an sich erforderlich bei einer Berufung:

  • Die Berufung als solche ist einzulegen bei dem Gericht, das das Urteil gefällt hat. Eine Berufung gegen ein Kölner Urteil ist also beim Kölner Offizialat einzureichen. Die gesetzliche Frist beträgt 15 Tage nach Kenntnisnahme des Urteils.

  • Die Berufungsbegründung soll möglichst bei der Berufungsinstanz vorgelegt werden. Die gesetzliche Frist beträgt einen Monat nach Kenntnisnahme des Urteils; sie ist verlängerbar vom Gericht, das das Urteil gefällt hat.

  • Wird bloß Berufung eingelegt und die Berufung nicht begründet, wird das nach Fristablauf als Verzicht gewertet.

  • Wer allerdings mit seiner Berufung bereits eine Begründung angeführt hat gegenüber dem Gericht des gesprochenen Urteils, muss diese Begründung nicht noch eigens an die Berufungsinstanz übermitteln.


Berufungsgericht


ist für das Gericht eines Bistums stets das Gericht jenes Erzbistums, dem es zugehört. Dem Gericht eines Erzbistums oder eines interdiözesanen Gerichts ist ein anderes Gericht als Berufungsgericht fest zugewiesen.

 

Für Köln ist dies


Aternativ kann man zur Berufung auch die Rota Romana angehen.
 

  • Als dritte und weitere Instanz ist die Rota regelmäßig zuständig bei den Verfahren der anderen deutschen Offizialate.

  • Über das erstinstanzliche Gericht kann eine Partei allerdings in Rom beantragen, dass ein deutsches Gericht als dritte oder weitere Instanz zugewiesen wird.

Bei Berufung gegen ein positives Urteil,

also gegen die Anerkennung einer Klage, wird beim Berufungsgericht zunächst ein Dekretverfahren geführt; d.h. es wird ein Beschluss herbeigeführt, ob die Berufung angenommen oder das vorinstanzliche Urteil bestätigt wird.

Das Dekretverfahren beschränkt sich auf drei Schritte:

  • Eröffnung des Verfahrens
  • Diskussion
  • Dekret der Richter


Die Eröffnung des Verfahrens


setzt voraus, dass eine Berufung eingelegt und dann nicht darauf verzichtet wurde.

  • Den Parteien wird mitgeteilt, wer vonseiten des Berufungsgerichtes bei ihrem Prozess mitwirkt.
  • Wieder sind es drei Richter, die über die Sache entscheiden. Ein/e Ehebandverteidiger/in wird ebenfalls bestellt.
  • Gegen die Mitwirkung einzelner Gerichtspersonen kann auch hier Einspruch erhoben werden, der begründet sein muss.


Die Diskussion des Falles


erfolgt in aller Regel ohne eine weitere Beteiligung der beiden Parteien - freilich unter Würdigung ihrer etwaigen Stellungnahmen zum Urteil und Ergebnis der ersten Instanz:

  • Die Ehebandverteidigung des Berufungsgerichts nimmt zum Urteil der ersten Instanz Stellung, inwiefern vernünftigerweise etwas gegen eine Ungültigkeit der beklagten Ehe spricht bzw. gegen eine Bestätigung des positiven Urteils. Ihre schriftliche Stellungnahme wird den Parteien nicht zugestellt.
  • Die gesamten Akten werden von den drei Richtern zunächst einzeln studiert; jeder fertigt ein schriftliches Votum an.
  • Danach beraten die drei Richter in gemeinsamer Sitzung und treffen ihre Entscheidung durch ein Dekret (=Beschluss).


Das Dekret


der drei Richter bestimmt, ob das Verfahren beendet werden kann oder als förmlicher Prozess weiterzuführen ist:

  • Im für die Klage günstigen Fall bestätigt das Dekret das vorinstanzliche Urteil (zumindest in einem Punkt, falls mehrere Punkte positiv entschieden wurden). Daraufhin erhalten die Parteien vom erstinstanzlichen Gericht das "Vollstreckbarkeitsdekret", das die Bestandskraft des Urteils vermerkt.
  • Andernfalls wird das vorinstanzliche Urteil nicht bestätigt und zugleich die Sache angenommen zur Verhandlung in zweiter Instanz (allerdings nur bezogen auf die erstinstanzlich positiv entschiedenen Punkte, falls nicht anderes beantragt wird). Der weitere Ablauf entspricht dem eines erstinstanzlichen Verfahrens.
  • Hat ein Dekret das positive Urteil der vorherigen Instanz nicht bestätigt, ist es für die klagende Partei unbedingt ratsam, das bisherige Beweisaufkommen zu ergänzen. Entschieden wird die Sache dann im zweitinstantlichen Urteil.

Bei Berufung gegen ein negatives Urteil,

also gegen die Nichtanerkennung einer Klage, entspricht der Ablauf beim Berufungsgericht dem eines erstinstanzlichen Verfahrens, also wiederum mit den fünf Schritten:

  • Berufung bzw. Klage
  • Eröffnung des Verfahrens
  • Ermittlung des Sachverhalts
  • Diskussion der Sache
  • Urteil der Richter

Eine Berufungsklage gegen ein negatives Urteil kann auch dann zugelassen werden, wenn die Berufungsfrist abgelaufen ist. Dabei ist ratsam, neue Beweismittel anzubieten (z.B. eine Aussage neuer Zeugen), die tatsächlich zu erlangen sind. War bereits in zweiter Instanz erneut negativ geurteilt worden, ist eine Wiederaufnahme in dritter Instanz nur möglich bei schwerwiegenden neuen Beweisen.

Wenn in zweiter (oder höherer) Instanz ein Urteil erstmals zugunsten der Klage ergeht, hängt die Bestandskraft – wie beim erstinstanzlich positiven Urteil – davon ab, ob Berufung eingelegt wird und ob ggf. diese Berufung Erfolg hat.

Eine Berufung von Amts wegen

ist – aufgrund des päpstlichen Erlasses "Mitis Iudex" – nicht mehr vorgesehen.

  • Das betrifft jedes Urteil, das ab dem 8. Dezember 2015 den Prozessbeteiligten mitgeteilt wird und erstmals (in erster oder höherer Instanz) feststellt, dass die Ungültigkeit der beklagten Ehe feststeht ("constat").
  • Damit hängt die Bestandskraft des Urteils einzig davon ab, ob Berufung mit Erfolg eingelegt wurde oder nicht.
  • Einzig für Urteile aus der Zeit vor dem 8. Dezember 2015 könnte noch – als Folge der früheren Berufung von Amts wegen – ein bisheriges Dekretverfahren anhängig (gewesen) sein.