Chancen- und Risikobericht | Finanzbericht 2020

Chancen- und Risikobericht

Die wichtigste Ertragsposition des Erzbistums Köln sind die Erträge aus Kirchensteuern. Ihre Entwicklung stellt deshalb einen wesentlichen Chancen- und zugleich Risikofaktor für das Erzbistum dar.

Das Kirchensteueraufkommen ergibt sich aus der Anwendung des Kirchensteuersatzes auf die Einkommen- und Lohnsteuer sowie die Kapitalertragsteuer der jeweiligen Kirchenmitglieder. Kurzfristig hängt die Ertragslage vor allem von wirtschaftlichen Parametern ab. Dies sind insbesondere die volkswirtschaftliche Entwicklung, Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, Inflation, Beschäftigungsentwicklung und Steuerquote, wobei die einzelnen Einflussfaktoren jeweils schwer beziehungsweise nur mit erheblichen Unsicherheiten vorhergesagt werden können. Mittel- und langfristig wirkt sich die Entwicklung der Mitgliederzahl und Mitgliederstruktur erheblich auf die Kirchensteuererträge aus.

Chancen

Eine Chance auf höhere als prognostizierte Kirchensteuererträge kann sich insbesondere dann ergeben, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen besser entwickeln, als zum Planungszeitraum abzusehen war. Außerdem kann eine Erhöhung der Mitgliederzahl beziehungsweise eine Veränderung der Mitgliederstruktur für das Erzbistum positive Effekte hinsichtlich der Kirchensteuererträge mit sich bringen, wenn verstärkt wirtschaftlich aktive Mitglieder zuwandern, die Kirchensteuer entrichten. Da insbesondere die Städte Düsseldorf, Köln und Bonn innerhalb Nordrhein-Westfalens seit einigen Jahren an wirtschaftlichem Gewicht gewinnen, profitieren sie tendenziell von Migrationsbewegungen. Für das Erzbistum Köln eröffnet sich daraus mit Blick auf die Mitgliederzahl und Mitgliederstruktur eine Chance, sofern vermehrt wirtschaftlich aktive Mitglieder zuwandern oder neu in die Kirche eintreten, die Kirchensteuern zahlen.

Risiken

Das Erzbistum Köln verfolgt im Rahmen seines Risikomanagements einen umfassenden und systematischen Ansatz. In einem wiederkehrenden Prozess werden Risikotragfähigkeit und Risikowerte analysiert, um bestehende Risiken zu erkennen, deren finanzielle Auswirkungen zu erfassen und als Risikowerte zu berechnen sowie zu prüfen, ob ausreichende finanzielle Mittel als Risikodeckungskapital zur Verfügung stehen. Dabei wird analysiert, ob sich Risiken verändern, sie sich reduzieren oder vermeiden lassen, um nur in dem Umfang Risiken einzugehen, wie dies für das Erzbistum tragbar ist.

Die rasante Ausbreitung des SARS-CoV-2 („Corona-Virus“) im Jahr 2020 hat das Erzbistum Köln vor erhebliche Herausforderungen gestellt und bedeutet weiterhin ein wesentliches Risiko für das Erzbistum Köln, sowohl mit Blick auf die Entwicklung der Kirchensteuereinnahmen als auch auf operativer Ebene.

Die Projektgruppe der fünf Wirtschaftsforschungsinstitute stellt in ihrer Gemeinschaftsdiagnose vom 14. April 2021 fest, dass die Corona-Pandemie weiterhin das bedeutendste Abwärtsrisiko für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft darstellt. Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen damit, dass das reale Bruttoinlandsprodukt 2021 um 3,7 Prozent steigt, wobei diese Prognose auf der Annahme beruht, dass die weiterhin geltenden Infektionsschutzmaßnahmen durch Impfungen und vermehrte Tests im dritten Quartal weitestgehend aufgehoben werden können. 

Die Annahmen der Gemeinschaftsprognose lassen darauf schließen, dass spätestens ab der zweiten Jahreshälfte 2021 die Belastungen aus der Corona-Pandemie für die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer zurückgehen werden. Dies bestätigt die vorsichtige Planung des Kirchensteueraufkommens für 2021, die einen Rückgang von 2,1 Prozent gegenüber den Ist-Zahlen für 2020 unterstellt. Jedoch können Engpässe und Verzögerungen bei der Lieferung von Impfstoffen und Tests dazu führen, dass sich der angenommene Prozess der Öffnungsschritte verzögert. Auch neue Mutationen des Virus könnten die Wirksamkeit der Impfstoffe reduzieren, sodass der Öffnungsprozess möglicherweise gestoppt werden müsste, wodurch sich die wirtschaftliche Erholung abermals verzögern würde. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Erholung auch bei einer Eindämmung der Corona-Pandemie nicht störungsfrei verläuft. Insbesondere der Dienstleistungssektor, aber auch Teile des verarbeitenden Gewerbes durchlaufen einen strukturellen Umbruch, der noch nicht abgeschlossen ist. Wirtschaftspolitische Hilfsmaßnahmen wie zum Beispiel das Aussetzen der Insolvenzpflicht könnten dazu geführt haben, dass dieser Prozess abgeschwächt oder unterbrochen wurde. In diesem Fall wäre es möglich, dass steigende Insolvenzzahlen zusammen mit einem vermehrten Arbeitsplatzverlust die wirtschaftliche Aktivität deutlich stärker belasten als in dieser Prognose unterstellt. Dies könnte sich wiederum negativ auf das Kirchensteuereinkommen im Jahr 2021 auswirken.

Gleichzeitig stellt die Ausbreitung des Corona-Virus das Erzbistum auch operativ vor erhebliche Herausforderungen:

Die Gesundheit der Menschen steht für das Erzbistum an erster Stelle. Die Infektion von Mitarbeitern oder Nutzern der kirchlichen Einrichtungen stellt ein großes Risiko dar, dem das Erzbistum durch erhöhte Hygienemaßnahmen, umfangreiche Informationen, der Bereitstellung von Tests für Mitarbeitende, Homeoffice-Möglichkeiten und die Nutzung digitaler Kommunikation begegnet. Außerdem sind Schulen in Trägerschaft des Erzbistums Köln, die Tagungshäuser oder auch das Museum Kolumba zeitweise geschlossen worden. Diese Maßnahmen führen bei den Tagungshäusern und dem Museum zu Ertragsausfällen, die sich nur teilweise durch Anpassungen im Personalaufwand und Sachaufwand durch Kurzarbeit, verringerten Wareneinkauf, Kürzung von Fremdleistungen, verzögerte Wiederbesetzung von Stellen usw. kompensieren lassen.
Gleichzeitig können die im Zuge der Corona-Krise ergriffenen Schutzvorkehrungen bei allen Einrichtungen des Erzbistums zu einem erhöhten Bedarf sowie einer Verteuerung der Hygieneartikel und Schutzbekleidung führen oder einen steigenden Materialaufwand zur Folge haben.

Weitere Risiken

Die Entwicklung der Kirchensteuererträge – insbesondere die Gefahr negativer Abweichungen des tatsächlichen vom prognostizierten Kirchensteueraufkommen – hat für das Erzbistum Köln erhebliches Gewicht und stellt einen wichtigen Risikofaktor dar, zumal die Kirchensteuererträge nicht unmittelbar aus kirchlichen Aktivitäten resultieren und damit keinem direkten kirchlichen Einfluss unterliegen. Die Entwicklung ihrer Bemessungsgrundlage hängt wesentlich von demografischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Einflussfaktoren ab, deren Entwicklung selbst Schwankungen unterliegt. Da das Kirchensteuereinkommen die bedeutendste Ertragsposition des Erzbistums ist und sich kirchliche Aktivitäten sowie die entsprechenden Strukturen nicht kurzfristig reduzieren lassen, können sich bei ungeplant sinkenden Kirchensteuererträgen Finanzierungslücken für das Erzbistum ergeben.

Außerdem führt der kontinuierliche Rückgang der Mitgliederzahl, bedingt durch demografische Veränderungen und Mitgliederaustritte, langfristig zu einer Stagnation der Kirchensteuerentwicklung. Die Austrittsquote hat sich in den letzten Jahren spürbar erhöht, sodass inzwischen sogar mit einem langfristig rückläufigen Kirchensteueraufkommen gerechnet werden muss. Da solche Veränderungen regelmäßig in langen Zeiträumen ablaufen, besteht die Möglichkeit der kontinuierlichen Anpassung an diese Entwicklungen. Ein Risiko stellen jedoch kurzfristige Veränderungen im Austrittsverhalten dar, die einen starken Anstieg der Mitgliederaustritte zur Folge haben. Insbesondere höhere Austrittszahlen in der Altersklasse zwischen 50 und 60 Jahren können kurzfristig das Kirchensteueraufkommen belasten, da diese im Durchschnitt die höchsten Einkommen erzielt.

Die aktuelle kritische Auseinandersetzung von Kirchenmitgliedern und in der Öffentlichkeit mit der Untersuchung und Aufarbeitung von Missbrauchsvorfällen im Erzbistum Köln und der damit einhergehende Vertrauensverlust in die Institution Kirche können zu vermehrten Kirchenaustritten führen. Sichere Informationen liegen dazu derzeit nicht vor, doch lässt sich inzwischen ein deutlicher Anstieg der Austrittszahlen für 2021 erwarten. Insbesondere aufgrund der Anonymität der Steuerdaten lässt sich für das Erzbistum nicht feststellen, welche unmittelbaren und insbesondere langfristigen finanziellen Auswirkungen sich aus erhöhten Austrittszahlen ergeben.

Das Kirchensteueraufkommen ist neben der Mitgliederzahl und der Mitgliederstruktur stark geprägt von wirtschaftlichen Parametern wie zum Beispiel der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, der Inflation, der Beschäftigungsentwicklung und der Steuerquote. Diese Einflussfaktoren lassen sich im Planungsprozess lediglich schätzen, was aufgrund der Komplexität wirtschaftlicher Zusammenhänge aber nur mit erheblichen Unsicherheiten möglich ist. In den vergangenen Jahren war die Wachstumsdynamik in Nordrhein-Westfalen häufig schwächer als in den südlicheren Bundesländern. Daher ist bereits seit Längerem tendenziell ein Rückgang des Anteils des Erzbistums am Gesamtaufkommen der Kirchensteuer in Deutschland festzustellen. Ein überregionaler konjunktureller Einbruch der deutschen Wirtschaft sowie eine Fortsetzung oder Verstärkung der Wachstumsschwäche in NordrheinWestfalen sind deshalb gravierende Risiken für die Ertragssituation des Erzbistums Köln.

Gleichzeitig stellt das sogenannte Kirchensteuerclearing aufgrund der großen Zahl überregionaler Arbeitgeber mit zentralen Gehaltsabrechnungsstellen für die Ertragslage des Erzbistums Köln ein besonderes Risiko dar. Im Rahmen des Kirchenlohnsteuer-Verrechnungsverfahren, wird das Steueraufkommen zwischen den Finanzämtern der jeweiligen Bundesländer und den Bistümern nach dem Wohnortprinzip der Steuerzahlenden nachträglich genau abgerechnet. Dieser Verrechnungsprozess erfolgt stark zeitverzögert und kann zu nicht prognostizierten Schwankungen der Kirchensteuererträge führen.

Auch die Finanzierung der erzbischöflichen Schulen als Ersatzschulen durch das Land Nordrhein-Westfalen birgt Risiken für die Ertragssituation des Erzbistums Köln. Ihre Finanzierung ist zwar durch das Ersatzschulfinanzgesetz mit einer Refinanzierungsquote der anerkennungsfähigen Kosten von 94 Prozent abgesichert. Gesetzliche Änderungen, die zu einer verschlechterten Refinanzierung führen, sind aber grundsätzlich nicht auszuschließen.

Auf der Aufwandsseite stellen mittelbare Pensionsverpflichtungen des Erzbistums Köln ein Risiko dar. Da die Mitarbeitenden einen Anspruch auf eine Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung haben und die Durchführung ihrer Versorgung durch die Kirchliche Zusatzversorgungskasse (KZVK) erfolgt, besteht für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein mittelbarer Anspruch gegen das Erzbistum Köln.

Die KZVK hat in ihrem Jahresabschluss 2019 einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 25,2 Mio. Euro ausgewiesen. Gegenüber dem Vorjahr hat sich dieser Fehlbetrag um rund 213,2 Mio. Euro verringert, insbesondere aufgrund eines stark verbesserten versicherungstechnischen Ergebnisses. Insgesamt weist die KZVK im Jahresabschluss 2019 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 7,5 Mrd. Euro aus. Das Erzbistum Köln geht davon aus, dass die KZVK auch in Zukunft allen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Einer Einstandspflicht des Erzbistums kommt daher eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit zu.

Kirchengemeinden und die übrigen territorialen pastoralen Einrichtungen und Körperschaften im Erzbistum Köln finanzieren ihre Aktivitäten größtenteils aus Zuweisungen und Zuschüssen des Erzbistums. Hieraus ergeben sich ebenfalls finanzielle Risiken für das Erzbistum, insbesondere aus der Trägerschaft von Kindertagesstätten, da das Land Nordrhein-Westfalen auf Grundlage des Kinderbildungsgesetzes eine pauschale Finanzierung pro Kind vornimmt. Sofern die jährliche Anpassung der vom Land gezahlten Pauschale pro Kind nicht ausreicht, um Kostensteigerungen zu decken, erhöht sich der Trägeranteil am Gesamtaufwand der Kindertagesstätte. Im Jahr 2019 wurde das Kinderbildungsgesetz, das die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen der Kindertagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege regelt, vom Land Nordrhein-Westfalen novelliert. Durch Neuregelungen verbessert sich nun die Finanzierung für die kirchengemeindlichen Träger von Kindertageseinrichtungen ab August 2020, aber eine dauerhafte Finanzierung steigender Kosten ist weiterhin nicht gesichert.

Es besteht auch zukünftig das Risiko, dass das Erzbistum einen höheren Aufwand aus Zuweisungen und Zuschüssen tragen muss, sofern Fehlbeträge aus dem Betrieb von Kindertageseinrichtungen von den Kirchengemeinden als Trägern nicht finanziert werden können.

Die bereits seit Längerem anhaltende Niedrigzins-Situation hat sich auch im Berichtsjahr fortgesetzt und eine nachhaltige Rückkehr zu deutlich höheren Zinsen ist weiterhin nicht erkennbar. Die BIP-gewichtete Rendite zehnjähriger Staatsanleihen der Euroländer verzeichnete in 2020 gemäß der Europäischen Zentralbank einen starken Rückgang und sank im Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 um 50 Basispunkte auf –0,23 Prozent. Dies wirkt sich auf die Rückstellungen und Rücklagen für langfristige Verpflichtungen, insbesondere aufgrund von Pensionszusagen und Beihilfen, aus. Es besteht das Risiko, dass keine ausreichenden Kapitalerträge erzielt werden können, um die kalkulierten Beträge zur Deckung der Verpflichtungen zu erzielen. In diesem Fall müssten die Zinserwartungen auf das zurückgestellte beziehungsweise zurückgelegte Kapital weiter gesenkt und eine zusätzliche Dotierung der Rückstellungen und Rücklagen aus Kirchensteuermitteln vorgenommen werden.