Zum Inhalt springen

Yithzak im Porträt: „Es ist einfach schön, etwas zu verändern“

Datum:
20. Nov. 2018
Als Yithzak González Murgas die Straße vor der Kathedrale überquert, werden die drei Polizisten, die unter einer Balustrade im Schatten stehen, unruhig. Sie tragen schusssichere Westen, die rechte Hand liegt nervös auf dem Schaft der Pistole. Yithzak grüßt freundlich und geht mit festen Schritten über den fast menschenleeren Platz.

„In den drei Häusern dort drüben wohnen drei konkurrierende Banden“, erklärt er. „Sie beobachten sich ständig und wenn einer auch nur falsch blinzelt, dann fließt Blut.“ Drei Motorräder rasen im Konvoi vorbei und biegen in eine der engen, dunklen Gassen der Innenstadt von Colón. Auf jeder Maschine sitzen zwei Männer in grauen Uniformen, die Maschinengewehre im Anschlag. Unter den Helmen tragen sie schwarze Sturmmasken. „Das ist eine Spezialeinsatztruppe. Ein alter Freund ist einer von ihnen. Der Job ist unglaublich gefährlich. Wir beten immer für ihn“, sagt Yithzak González und fasst kurz an das bunte Plexiglaskreuz, das er an einer Kette um den Hals trägt.

Ehrenamt in der Pastoral und für den Weltjugendtag 2019

Yithzak Yerel mit Edilsa und einem Kollegen auf der Straße in Colón

Abends und an den Wochenenden ist Yithzak als Mitarbeiter der Jugendpastoral aktiv. In seiner Heimatstadt Colón bildet er mit Hilfe des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat die ehrenamtlichen Gruppenleiter aus und unterstützt sie bei ihrer Arbeit. Außerdem bereitet er in enger Absprache mit Bischof Manuel Ochogavía Barahona von Colón-Kuna Yala den Weltjugendtag im Januar 2019 vor. 100.000 Menschen leben in der Stadt, an der der berühmte Panama-Kanal ins Karibische Meer übergeht. Colón ist bekannt für seine große Freihandelszone. Waren aus der ganzen Welt werden hier jeden Tag verladen und weitergeschickt. Ein Millionengeschäft. Auch die luxuriösen Kreuzfahrtschiffe legen hier an, Schnäppchenjäger gehen von Bord, um Gucci, Prada und Chanel günstig zu kaufen. Das Areal ist von einer meterhohen Mauer und vielen Kontrollposten umgeben, damit sich kein Fremder in die unsichere Innenstadt verirrt.

Arm und Reich sind Nachbarn in Colón

„Rein rechnerisch ist Colón eine der reichsten Städte Panamas“, erklärt Yithzak González. „Aber leider gehört sie auch zu den gefährlichsten Orten des Landes.“ Wer es sich leisten kann, lebt in einem der streng bewachten Wohnkomplexe am Stadtrand. Im historischen Zentrum herrschen Armut und Perspektivlosigkeit. Die Häuser verfallen und werden sich selbst überlassen. Selten gibt es fließendes Wasser und Strom. Das deutsche Auswärtige Amt hat die gesamte Innenstadt zur roten Zone erklärt. So eine umfassende Gefahrenwarnung wird selten ausgesprochen.

Als Yithzak González am Pfarrgemeindezentrum ankommt, haben dort zwei Frauen und drei junge ehrenamtliche Helfer eine Essenausgabe aufgebaut. Sie verteilen Suppe an Bedürftige, die in einer langen Schlange warten. „Es ist nicht leicht, Jugendliche dazu zu motivieren, sich sozial zu engagieren. Die allgegenwärtige Depression lähmt und wirkt selbstzerstörerisch. Kriminalität gehört bei uns zum Alltag, viele Jugendliche sind Mitglieder in einer Bande. Sie hängen auf der Straße ab, gehen nur in die Schule, wenn ihnen danach ist.“

Engagement für die Jugend

Die Regierung scheint planlos. „Vor drei Jahren haben sie ein Programm für Jugendliche gestartet. Wenn sie sich offiziell als Bandenmitglieder registrieren lassen und versprechen auszusteigen, erhalten sie zwei Mal im Monat 50 US-Dollar“, erklärt er. „Das hat natürlich nichts gebracht. Echte Bandenmitglieder würden niemals austreten. Und selbst wenn sie wollten, das wäre für sie lebensgefährlich. Stattdessen haben sich viele gemeldet, die Geld brauchen, mit den üblen Machenschaften aber nichts zu tun haben. In der Folge werden sie jetzt ihr Leben lang als Kriminelle abgestempelt sein. Das ist kein guter Start ins Erwachsenenleben.“

Jugendlichen eine Perspektive und spirituellen Halt zu geben, das ist Yithzak González` Ziel. Tagsüber arbeitet er als Projektleiter in einem Logistikunternehmen am Hafen. Und auch in seiner Freizeit geht das Planen und Steuern weiter. Heute trifft sich Yithzak González mit fünf Jugendlichen. Gemeinsam wollen sie Alte und Kranke der Gemeinde besuchen.

Jugendliche besuchen Alte und Kranke

Yithzak Yerel im Haus von Téofila Saenz

Teófila Saenz wartet schon seit dem Vormittag auf ihre Gäste. Seit einem Schlaganfall kann sie ihre Hütte kaum noch verlassen. Im Dunkeln sitzt sie auf einem Stuhl im Schlafzimmer und schaut aus dem Fenster. „Kommt rein, Ihr seid mein Licht“, ruft sie, als sie Yithzak González und die anderen den schmalen Pfad zu ihrem Haus herunterkommen sieht. Gemeinsam lesen sie aus der Bibel und diskutieren einen Vers aus dem Philipperbrief: „Freut euch im Herrn allezeit und abermals sage ich: Freut euch“ (4,4).

Während die alte Dame zum Abschied fröhlich winkt, ist Edilsa, ein Mädchen mit langen dunkelbraunen Haaren, nachdenklich geworden: „Wie schafft es Teófila nur, trotz ihrer schlimmen Krankheit so zuversichtlich zu bleiben? Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ihre positive Haltung auf mich abfärbt.“ Yithzak Gonzáles nickt. „Ich glaube, dazu fällt mir eine gute Geschichte ein, die ich später erzählen werde.“

Ein paar Häuser weiter, bei Familie Cáceres, setzt er sich auf eine Bank unter dem Papaya-Baum und erzählt von zwei Hunden, die ein Haus mit 1000 Spiegeln betreten. Der erste Hund ist ängstlich. Als er sein Spiegelbild sieht, erschreckt er sich. Er knurrt, fletscht die Zähne und rennt voller Panik aus dem Haus. Fortan denkt er, dass alle Hunde bedrohlich und gefährlich sind. Der zweite Hund hingegen ist vergnügt. Als er den Saal betritt, wedelt er mit dem Schwanz und wird genauso von seinen 1000 Spiegelbildern empfangen und ist sich sicher, dass jeder Hund der Erde ein freundlicher Spielgefährte ist.

Glaube ist Motivation für Engagement

„Auch wenn es schwer fällt – wir müssen versuchen, immer das Beste von uns zu zeigen. Denn das ist es, was wir in die Welt bringen“, erklärt Yithzak. Edilsa nickt und ein Grinsen breitet sich auf ihrem Gesicht aus. „Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt runter zum Strand gehen und Plastikflaschen sammeln?“, schlägt sie vor und hat auch schon zwei große Müllbeutel in der Hand. „Damit sind wir gute Vorbilder, der Strand wird sauber und wir verdienen uns ein paar Balboa-Münzen mit dem Pfand.“

Yithzak lächelt stolz. „Es ist schön, wenn man das Gefühl hat, etwas zu verändern, auch wenn es nur im Kleinen ist“, sagt er. Häufig werde er gefragt, warum er sich überhaupt engagiere. Er könne ja auch einfach abends mit seiner Verlobten ausgehen, trinken und tanzen. „Aber so ein Leben füllt mich und auch meine Freundin nicht aus. Der Glaube ist für uns eine Motivation und die tägliche Aufforderung, uns einzubringen“, sagt er. „Außerdem habe ich persönlich das Gefühl, dass ich etwas zurückgeben kann.“ Als Jugendlicher war Yithzak González oft mit seinem Bruder Yerel alleine zu Hause. Die Mutter war alleinerziehend und musste lange arbeiten. „Ich fühlte mich oft verloren. Doch dann habe ich einen jungen Priesteramtskandidaten getroffen, der sich Zeit für mich genommen und mit mir gesprochen hat. Durch ihn ist mir klargeworden, dass Gott immer an meiner Seite ist. Wenn ich an meine Zukunft denke, bin ich zuversichtlich und ich habe auch keine Angst mehr, wenn ich in Colón über den Platz vor der Kathedrale gehe.“

Text: Gaby Herzog, Fotos: Achim Pohl

 

Adveniat-Weihnachtsaktion 2018: Chancen geben – Jugend will Verantwortung

Die Adveniat-Weihnachtsaktion 2018 steht unter dem Motto „Chancen geben – Jugend will Verantwortung“. Für viele junge Menschen in Lateinamerika und der Karibik enden Kindheit und Jugend viel zu früh: Als Jugendliche müssen sie bereits für das Überleben ihrer Familie arbeiten. Dabei träumen sie von einer guten Zukunft, wollen zur Schule gehen, studieren und Verantwortung übernehmen – in Kirche und Gesellschaft. Zusammen mit der Kirche vor Ort gibt Adveniat benachteiligten Jugendlichen die Chance, ihre Träume zu verwirklichen. In den Monaten November und Dezember berichten Adveniat-Aktionspartner aus Brasilien, El Salvador, Kolumbien und Panama, wie sie Verantwortung übernehmen und Jugendlichen Chancen geben.

Die Eröffnung der bundesweiten Adveniat-Weihnachtsaktion findet am 1. Advent, dem 2. Dezember 2018, gemeinsam mit dem Bistum Limburg statt. Die Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember in allen katholischen Kirchen Deutschlands ist für Adveniat und die Hilfe für die Menschen in Lateinamerika und der Karibik bestimmt.

Spendenkonto bei der Bank im Bistum Essen, IBAN: DE03 3606 0295 0000 0173 45.

Service und Kontakt

Service und Kontakt